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Salzwedel steckt in der Klemme, der Steuer-Ausfall ist nur ein weiterer Domino-Stein / Eine Einordnung Auf Risiko gespielt und verloren

Von Alexander Walter 18.06.2015, 03:08

Salzwedel l Salzwedels Kämmerin Hella Jesper hatte eine schwere Sitzung hinter sich, als sie am Dienstagabend aus dem Finanzausschuss kam. Mit einem regelrechten Trommelfeuer an Fragen hatten sie die Fraktionen im Finanzausschuss zuvor ins Verhör genommen: "Seit wann wussten Sie vom Einbruch der Steuereinnahmen?" (Arne Beckmann, Salzwedel Land) und "Wie schlimm ist es wirklich?" (Sabine Blümel, Salzwedel Land) waren dabei nur die grundlegendsten.

Jesper konnte ihre Zuhörer überzeugen, dass die Kämmerei tatsächlich erst vergangene Woche vom Finanzamt vom Einbruch der erwarteten 2,5 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen für 2015 erfahren und den Stadtrat umgehend informiert hatte (wir berichteten). Doch die zweite Frage ließ sie mit Verweis auf ausstehende Prüfungen unbeantwortet.

Wie schlimm ist es wirklich?
Gerade darauf zu antworten, wäre aber wichtig gewesen. Denn seit Monaten stehen sich beim Thema Haushalt zwei Lager im Stadtrat gegenüber: Auf der einen Seite mit Salzwedel Land, SPD und Für Salzwedel sowie Teilen der CDU die Mahner, die Salzwedel am Rand des Bankrotts sehen und vor tiefen Einschnitten bei Kultur, Sport und Veranstaltungen warnen.

Auf der anderen Seite Teile der Linken und die Grünen, die vor einer Schlechtmacherei und einem Kaputtsparen ohne Visionen für die Stadt warnen. Recht bekam am Ende oft die Partei, die sich am lautesten Gehör verschaffen konnte.

Deutlicher als je zuvor zeichnet sich jetzt aber ab, dass am Ende wohl die Mahner vor der Pleite Recht behalten. Dafür spricht zuerst die Tatsache, dass der vom Stadtrat beschlossene Etat für 2015 von Anfang an knapp drei Millionen Euro mehr Ausgaben als Einnahmen vorsah. Auch 2017 und 2018 wollte die Kämmerei neue Schulden machen.

Angesichts von zusätzlich 9,57 Millionen Euro Altschulden erhielt die Stadt im April bereits einen Warnschuss vom Altmarkkreis als neutraler Aufsichtsbehörde. Er kassierte nicht nur den Kauf des Bahnhofs, sondern verordnete konsequentes Sparen und wies zudem darauf hin, dass Salzwedel die längst hinter sich geglaubten Regeln der Konsolidierung einzuhalten habe.

Der zusätzliche Ausfall von 2,5 Millionen Euro Gewerbesteuer-Einnahmen ist jetzt der dritte Schlag für den Salzwedeler Haushalt. Aber auch er muss noch nicht der letzte gewesen sein. So ist es nicht sicher, dass die Gewerbesteuer-Einnahmen sich künftig wieder positiver entwickeln. Sigrid Lemme (Die Linke) wies im Finanzausschuss außerdem darauf hin, dass Salzwedel demnächst mit weiteren Unwägbarkeiten wie einer erheblichen steigenden Kreis-Umlage konfrontiert sein könnte.

Die Konsequenzen
Nicht zuletzt ist unklar, welche Überraschungen in den Haushaltsabrechnungen der vergangenen Jahre noch lauern. Weder der Abschluss für 2014 noch eine Eröffnungsbilanz liegen bislang vor.

Auch wenn das Thema Haushalt abstrakt klingt. Die Konsequenzen für Salzwedel könnten bitter werden: Weil die Stadt jetzt vor allem Liquidität - also flüssiges Geld für den Zahlungsverkehr - braucht, ist der zügige Verkauf von Immobilien und Grundstücken, etwa Dorfgemeinschaftshäusern oder Stadtforst, kein Tabu mehr.

Darüber hinaus werden wohl etliche Straßenbauprojekte, für die es bereits Fördermittel-Zusagen gibt, gestrichen. Selbst bei Eigenbetrieben, Bädern oder Personal könnte die Stadt den Rotstift ansetzen. Kurz gesagt, es kommt alles auf den Prüfstand. Dass der Altmarkkreis kontrollieren wird, ob Salzwedel tatsächlich spart, hat er schon angekündigt.

Verantwortlich für die Situation ist auch der Stadtrat. Susann Meinecke (SPD und Für Salzwedel) hat im Finanzausschuss zu Recht kritisiert, dass das Gremium dem defizitären Haushalt 2015 überhaupt zustimmte.

Und die Kämmerin? Hella Jesper ist nicht vorzuwerfen, dass sie nichts vom Einbruch der Steuereinnahmen wusste. Allerdings hätte die Kämmerei wissen müssen, dass so etwas passieren kann und das auch in der Planung berücksichtigen müssen. Gewerbe-Steuereinnahmen sind wegen des möglichen Auf und Ab immer eine Wette. Mit einem wiederholt eingeplanten Minus im Haushalt bei einem bekannten Altschulden-Stand von 9,57 Millionen Euro ist die Kämmerei bewusst ins Risiko gegangen. Jetzt hat sie verloren.