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"Zentrum frühkindliche Bildung" in Stendal / Biosphärenreservat Drömling / Integrierte Leitstelle Der neue Koalitionsvertrag und seine Folgen für die Altmark

Von Holger Thiel 27.04.2011, 04:27

Der neue Landtag hat sich konstituiert, die Landesregierung ist vereidigt, der Koalitionsvertrag von CDU und SPD ist unter Dach und Fach. Auf 69 Seiten -, zehn mehr als 2006 - sind die politischen Ziele der kommenden fünf Jahre festgelegt. Die Altmark kommt zwar namentlich nicht vor - anders als 2006 - sollte sich aber den Vertrag trotzdem genau anschauen. Etliche Punkte berühren die Region. Angefangen vom Finanzausgleich, über Wirtschaftsförderung bis hin zu größeren Nutztierbeständen.

Salzwedel. "Die Koalition setzt sich dafür ein, dass die Nachnutzung der erschöpften Erdgaslagerstätten Altmark für eine CO2-Speicherung als Forschungsvorhaben vorbereitet wird": So stand es im ersten Koalitionsvertrag von CDU und SPD aus dem Jahr 2006. Umgesetzt wurde es nicht. Die CO2-Pilotanlage steht seit mehr als zwei Jahren ungenutzt in Mahlsdorf, weil die abschließende Betriebsgenehmigung fehlt. Doch nicht immer ist Vertragspapier so geduldig. Die vor fünf Jahren angekündigte kommunale Gebietsreform ist umgesetzt. Die Altmark besteht jetzt überwiegend aus Großstädten, zumindest was die Fläche betrifft. Und so mancher engagierter ehrenamtlicher Kommunalpolitiker hat aus Frust über diese Reform das Handtuch geworfen.

Neue Strukturen, neue Wege und eine Konferenz

Nicht ohne Konsequenzen für die Altmark blieb auch die 2006 angekündigte Überarbeitung des Finanzausgleichsgesetzes. Die beiden altmärkischen Kreise erhalten dadurch ebenso wie einige Kommunen weniger Geld aus der Landeskasse. Auswirkungen zeigte auch die angekündigte Justizreform. Stendal verlor sein Sozialgericht, der Verlust des Gefängnisses erscheint da fast nebensächlich.

Konsequent umgesetzt hatte die alte Landesregierung auch die Polizeistrukturreform. Die Polizeidirektion Stendal ist jetzt Teil der Polizeidirektion Nord, und die Zahl der Polizisten ging schrittweise nach unten. Immerhin, von der 2006 angekündigten Auflösung der Schuleinzugsbereiche blieb die Altmark verschont. Ganztagsschulen sind gefördert worden, und ein Schulbauprogramm wurde unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise aufgelegt. Davon profitierte die Region. Ebenso vom konsequenten Stadtumbau. Wohnungsgesellschaften wurden so teure leerstehende Wohnungen los. Ganze Blocks versanken in Staubwolken. Medizinische Versorgungszentren, mobile Arzthelferinnen waren erste Antworten auf den Ärztenotstand auch in der Altmark. Das angekündigte Bibliotheksgesetz, das zumindest im Altmarkkreis Salzwedel für Frieden beim Streitthema Bibliotheken hätte sorgen können, hat bis heute nicht den Landtag passiert.

CO2-Speicher taucht mit keinem Wort auf

Soweit eine kurze Bilanz. Die Vorschau lohnt sich ebenso. Denn nicht immer ist beim neuen Koalitionsvertrag nach der Guttenberg-Methode, also mit Copy & Paste, verfahren worden. So ist vom CO2-Speicher in der Altmark keine Rede mehr. Wohl aber davon, dass die Hochschule Magdeburg-Stendal zu einem "Zentrum frühkindliche Bildung" werden soll, "um wissenschaftliche Erkenntnisse als Grundlage für die Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung zu erlangen und Programme und Konzepte für eine erfolgreiche Umsetzung zu entwickeln und zu koordinieren".Während der Altmarkkonferenz vergangenen Jahres in Gardelegen hatte die Landesregierung dieses Kompetenzzentrum für Stendal angekündigt.

Die Auswirkungen des novellierten Finanzausgleichsgesetzes sind mittlerweile in der Landeshauptstadt bekannt. Laut neuem Koalitionsvertrag soll das Gesetz auf den Prüfstand kommen. "Unter Berücksichtigung der in Folge der Gemeindegebietsreform in den Haushaltsjahren 2010 und 2011 gewonnenen Erkenntnisse soll im Ergebnis ein neues Finanzausgleichsgesetz, welches eine auskömmliche und angemessene Finanzausstattung garantiert, erarbeitet werden", heißt es im Koalitionsvertrag.

Dieser verspricht auch, dass Schulsozialarbeit fester Bestandteil aller Schulformen werden soll. Unter anderem Gymnasien hatten bislang ein Nachsehen. Arbeit bekommen beide Kreise hinsichtlich der Berufsbildenden Schulen. Sie sollen "regionale Kompetenzzentren" werden, zum Beispiel mit Angeboten der beruflichen Weiterbildung. Aber auch die Bedarfsplanung für Kindertagesstätten ist zu überarbeiten. Künftig sind die Tagesmütter mit zu berücksichtigen.

Bei der Wirtschaftsförderung wird wie vor fünf Jahren auf "Cluster" gesetzt, die es in der Altmark nicht gibt. Immerhin soll es spezielle Förderprogramme für innovative kleine und mittelständische Unternehmen geben, die neue Produkte auf dem Markt etablieren wollen.

In Sachen Tourismus ist die Altmark mit ihrem Aktiv-Urlaub längst auf dem richtigen Weg. Radfahren und Wandern sollen landesweit gefördert werden, unter anderem mit dem Ausbau der Infrastruktur.

Interessant ist auch der Punkt Energie. Die neue Landesregierung will Anreizprogramme für die Erdwärme- und die Biomassenutzung schaffen. Dass in der Altmark Geothermie möglich ist, zeigt das Beispiel Arendsee mit seiner Thermalsole.

Arbeitsmarktpolitisch lautet ein Ziel, dass in jeder Familie mindestens ein Mitglied erwerbstätig sein soll. Dass dürfte für den Landkreis Stendal mit seiner hohen Arbeitslosenquote ein Kraftakt werden. An der Bürgerarbeit soll festgehalten werden. Für Langzeitarbeitslose soll es geförderte Stellen geben.

Eine ganze Seite ist dem ländlichen Raum und damit auch der Altmark gewidmet. Die wichtigsten Ziele angesichts sinkender Einwohnerzahlen und steigender Lebenserwartung: Zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse soll es bedarfsgerechte schulische Angebote, eine dauerhafte gesundheitliche Betreuung und einen bedarfsgerechten öffentlichen Personen- nahverkehr geben.

"Interkommunale Funktionalreform" angekündigt

Aufatmen können die altmärkischen Einheits- und Verbandsgemeinden. Die Strukturen werden nicht weiter geändert. Stattdessen wird eine "interkommunale Funktionsreform" angekündigt. Die Rathäuser erhalten weitere Aufgaben, während die Kreise den Waldbrandschutz an das Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten abgeben sollen. Festgehalten wird an der Forderung nach integrierten Leitstellen. Für die beiden hiesigen Kreise wird es nun doch langsam ernst. Sie müssen eine gemeinsame Leitstelle für Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst schaffen. Vor allem der Landkreis Stendal hat sich bislang davor gescheut. Und über eine Novelle des Rettungsdienstgesetzes im kommenden Jahr sollen die Krankenhäuser noch stärker in der Notarztversorgung eingebunden werden, heißt es im Koalitionsvertrag.

Gespannt dürften die immer klammen altmärkischen Gewässer-Unterhaltungsverbände auf die für 2012 geplante Novelle des Wassergesetzes schauen. Die Einstufung der Gewässer erster und zweiter Ordnung soll überprüft werden. Ebenso die Aufgabenverteilung im wasserwirtschaftlichen Bereich.

Industrielle Massentierhaltung im Fokus

In den vergangenen Jahren haben sich in der Altmark Bürgerinitiativen gegen industrielle Massentierhaltung gegründet. Sie können nicht darauf hoffen, dass es keine neuen Ställe mehr gibt.

Aber die neue Landesregierung weiß auch um das Akzeptanzproblem. Immerhin wirkten die altmärkischen SPD-Landtagsabgeordneten Ralf Bergmann und Jürgen Barth in der entsprechenden Arbeitsgruppe des Koalitionsausschusses. Im Vertrag ist festgelegt worden, dass im Ergebnis des bereits eingerichteten Nutztierforums geprüft werden soll, ob es gesetzgeberischen Handlungsbedarf gibt.

Und: "Die Koalitionspartner sprechen sich dafür aus, zur Vermeidung starker lokaler Tierkonzentrationen im Düngegesetz eine Ermächtigungsgrundlage für die Länder vorzusehen, die es ermöglicht, einen betriebs- und behördenübergreifenden Datenabgleich zur Überprüfung des Inverkehrbringens von Wirtschaftsdünger vornehmen zu können." Das könnte so manches Stallprojekt zu Fall bringen.

An einer Stelle tauchte die Altmark dann doch ganz konkret auf: Der Naturpark Drömling soll als Biosphärenreservat nach Landesrecht ausgewiesen und eine Anerkennung durch die UNESCO vorbereitet werden. Die Region der 1000 Gräben würde damit eine Aufwertung erfahren.