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Eine Woche in der UkraineBesuch im gespaltenen Land

Von Olaf Koch 20.12.2014, 02:10

Der Schönebecker Stadtrat Philipp Körner ist gerade aus der Ukraine zurück. Auf Einladung einer Partnerorganisation nahm er mit anderen Jugendlichen gemeinsam an einem Videoprojekt teil und bekam einen ungeschminkten Einblick in das Kriegsland.

Kiew/Schönebeck l Als der Schönebecker Philipp Körner (SPD) in der vergangenen Woche in Kiew ist, ist von der derzeitigen russischen Wirtschaftskrise noch nichts zu spüren. Zwei Tage nach seiner Rückkehr befindet sich der Rubel im freien Fall. "Teilweise war der Wechselkurs zum Euro noch über dem offiziellen Kurs", berichtet der Sozialdemokrat nach seiner Rückkehr im Gespräch mit der Volksstimme. Gerade die Menschen im umkämpften Osten der Ukraine und auf der Krim werden sich nun die Augen reiben. Hofften sie vor Monaten noch den Anschluss zum großen Russland und damit um die Verbesserung ihrer Lebensumstände, ist der russische Rubel nun auch nichts mehr wert.

Die Ukraine ist gespalten. Über den russischen Präsidenten Wladimir Putin äußern sich in der Hauptstadt viele Menschen abwertend. "Putin wird verspottet. Es gibt sogar Toilettenpapier mit seinem Porträt", berichtet Philipp Körner. Deutlicher kann man eine Haltung nicht ausdrücken. Eine offene Meinungsäußerung hat der Schönebecker bei seinem fast einwöchigen Besuch in dem umkämpften Land nicht feststellen können. Haben die Menschen also Angst, ihre Meinung zu sagen? "Nein ich denke nicht, sie haben keine Angst vor Repressalien. Vielmehr ist es wohl eine Unsicherheit, über Politik im Familien- und Bekanntenkreis zu sprechen."

Dennoch gelang es ihm und den anderen Jugendlichen auf offener Straße und auch auf dem Majdan, jenem Platz, von dem vor fast einem Jahr die Revolution ausging, mit Ukrainern ins Gespräch zu kommen. Zustandegekommen ist das Projekt in Kiew über eine Ukrainerin, die in Deutschland ein politisches Praktikum absolviert. Die evangelische Akademie in Wittenberg knüpfte Kontakt zu einer Partnerorganisation in der Ukraine. Im Mittelpunkt stand der sogenannte Memory Walk - ein Workshop, der zuvor schon in Amsterdam vom Anne-Frank-Haus erfolgreich praktiziert wurde. Jugendliche beschäftigen sich mit Monumenten und Denkmälern aus der Kriegszeit in dieser Region. Sie diskutierten über verschiedene Wege, an die Vergangenheit zu erinnern und fragen unter anderem auch nach der heutigen Bedeutung.

Die 18 Jugendlichen aus Deutschland und der Ukraine konzentrierten sich auf drei Denkmäler mit Bezug zur Vergangenheit und wie die Ereignisse umgesetzt wurden: der Maidan, Bayn Jar und Holodomor. Sie interviewten Menschen, um einen Filmclip zu drehen, der zum Nachdenken anregen soll.

"Drei Projekte, drei Denkmäler, drei Videoclips: Die Menschen, die wir dazu interviewten, waren erstaunlich offen", erinnert sich Philipp Körner. Er und die anderen aus dem Team stießen bei der Befragung kaum auf Ablehnung, weder bei jungen noch bei älteren Menschen. Aus den 60 Minuten Rohmaterial, das beispielsweise bei der Befragung zum Völkermord Holodomor (Tod durch Hunger) herauskam, soll nun ein sieben- bis achtminütiger Film entstehen, teilweise mit englischen und deutschen Untertiteln.