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St.-Marien-Kirche Barby Konstruktionsfehler trieb Baumeister in den Wald

Von Thomas Linßner 10.03.2011, 05:28

Der Kirchbauverein bereitet für die 1050-Jahrfeier eine Ausstellung vor, die sich mit der Geschichte aller kirchlichen Gebäude beschäftigt. Dazu zählt auch die Marienkirche, die kurz nach Fertigstellung der Johanniskirche errichtet wurde. Um das Gotteshaus am Markt ranken sich einige Legenden.

Barby. Etwa um die Mitte des 12. Jahrhunderts war es, dass man in Barby zum Bau einer zweiten Kirche rüstete, obwohl die damals wahrscheinlich dreischiffige Johanniskirche gerade erst fertig geworden war. Aber diese ziemlich kleine Kirche gehörte dem Franziskanerkloster, und ein makaberes Abenteuer soll unversehens die Mittel zur Errichtung eines größeren Gotteshauses für die Ortsbewohner herbei geschafft haben.

Kopfloser Graf in der Johanniskirche begraben

Einer des Geschlechts von Barby - sein Name wird wohlweislich verschwiegen - pflegte damals als Raubritter mit Schiffen die Elbe auf- und abwärts zu segeln, andere Schiffe zu überfallen und auszuplündern. Bei Hamburg aber geriet er in die Übermacht eines Hanseschiffes und wurde, obwohl sein Leibdiener vom Mastbaum herab flehentlich für seinen Herrn um Gnade bat, mit seiner Mannschaft nieder gemetzelt. Erbarmungslos trennte man den Kopf vom Rumpf. Von der ganzen Besatzung des erbeuteten Schiffs vermochte nur der treue Diener sich und die Leiche seines Herrn durch List aus den Händen der Feinde zu retten. Er brachte den kopflosen Leichnam nach Barby zurück, wo er in der Klosterkirche beigesetzt wurde, und nun forderte das schwer gekränkte Geschlecht des Getöteten als Sühne ein bedeutendes Lösegeld von den Hamburgern, das diese letztendlich auch zahlten und das von den Empfängern zum Bau einer großen Stadtkirche bestimmt wurde. Sie sollte der Mutter Gottes, "unser lieben Frauen", als der Schutzheiligen der Stadt Barby, gewidmet werden.

Der Mann, dem man den Bau übertragen konnte, war bald gefunden. Eben war die Kirche zu Mühlingen eingeweiht worden und hatte in ihrer Vollendung uneingeschränkte Anerkennung von allen Seiten gefunden. Was lag da näher, als ihren glücklichen Erbauer auch mit dieser neuen und ehrenvollen Aufgabe zu betreuen?

Gern übernahm Gunthardt das ihm angetragene Werk und begann nach seinen Plänen, wie er sie vorgelegt hatte, mitten im Städtchen die stattlichen Grundmauern zur Marienkirche auszuführen.

Statischer Mangel ließ Turm einstürzen

Bereits war das Kirchenschiff seiner Bedachung nahe, und auch der Unterbau des Turmes stand schon in beträchtlicher Höhe da, als Gunthardt mit jähem Erschrecken eines gemachten Baufehlers gewahr wurde, der dem schon fertig stehenden Gemäuer das Tragen eines hohen Turmes ganz unmöglich zu machen schien. Völlig verzweifelt ließ der Baumeister sein Werk im Stich, da er seinen Ruhm, seine Ehre und sein Ansehen bei den Menschen für immer daran einzubüßen meinte, und in den trübsten Gedanken irrte er tagelang in den Wäldern am jenseitigen Elbufer umher.

Wilde Beeren schützten ihn notdürftig vor der äußersten Erschöpfung. Unablässig in seinen quälenden Vorstellungen mit dem verunglückten Kirchenbau beschäftigt, schnitt er Ruten von einem Weidenbusch, sich damit aufs neue sein verhängnisvolles Modell vergegenwärtigend; und wie er die biegsamen schlanken Gerten zum Dachstuhl zusammen schloss, blitzte in ihm plötzlich ein heller Gedanke auf, wie durch ein paar nachträglich eingefügte Stützbalken und Klammern im Turmansatz der begangene Fehler noch auszugleichen sei.

Nachdem er durch Versuche an dem kleinen Modell seiner Sache vollends gewiss war, kehrte er voller Zuversicht nach Barby zurück, nahm sein unterbrochenes Werk von neuem in die Hand und stellte Kirche und Turm zur Zufriedenheit seiner Auftraggeber fertig.

Soweit die Legende, die offenbar einen wahren Kern besitzt. Fakt ist, dass der Bau des Kirchturms 1505 unter keinem guten Stern stand. Er stürzte wegen eines statischen Mangels 56 Jahre nach seiner Erbauung ein. Beim Abriss einer Scheune auf einem Privatgrundstück am Fuße St. Mariens entdeckte man im vergangenen Jahr große Gesimssteine, die mit großer Wahrscheinlichkeit vom eingestürzten Turm stammen.

Vermutlich wurde die Gunthardt-Sage erst im 19. Jahrhundert aufgeschrieben, die sich auf oben genannte Fakten stützte.