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Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom Dezember des vergangenen Jahres sorgt bei Bürgerinitiative für Aufregung Verband will für 4000 bis 5000 Grundstücke Beiträge nacherheben

Von René Kiel 16.03.2012, 04:09

Staßfurt/Hecklingen l Mehr als die Hälfte der Grundstücksbesitzer im Einzugsbereich des Abwasserzweckverbandes (AZV) "Bodeniederung" in Abwicklung müssen in den nächsten Monaten mit einer Nacherhebung des Anschlussbeitrages rechnen. Das teilte Dr. Joachim Rosenthal, der Geschäftsführer des Wasser- und Abwasserzweckverband (WAZV) "Bode-Wipper", mit. Der WAZV hatte am 1. Januar 2011 die Aufgaben des AZV übernommen.

Der WAZV geht davon aus, dass von den einst insgesamt rund 7500 Wohngrundstücken im Verbandsgebiet eine Nachberechnung für 4000 bis 5000 Fälle erfolgen wird. "Darüber hinaus gibt es dort Grundstücke, die noch gar nicht zur Beitragserhebung herangezogen worden waren", sagte Dr. Rosenthal. Auch deren Besitzer müssen demnächst mit Post vom Verband rechnen.

Möglich macht diese rückwirkende Kassierung ein Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom Dezember des vergangenen Jahres. Damals stand die Beitragssatzung des AZV für den Anschluss der Grundstücke an die zentrale Schmutzwasserentsorgungsanlage auf dem Prüfstand.

"Beitragssatzung aus dem Jahr 2009 ist erste, die überhaupt rechtswirksam ist."

Nach Einschätzung des Vorsitzenden Richters Uwe Haack war die Beitragssatzung aus dem Jahr 2009 die erste des AZV, die überhaupt rechtswirksam geworden ist. Damit hatte Haack seine Rechtsauffassung korrigiert. Bis zu diesem Zeitpunkt war er davon ausgegangen, dass die Satzung aus dem Jahr 1995 rechtmäßig gewesen sei. "Deshalb waren wir 2002/2003 der Auffassung, dass bei den Bescheiden, die im Jahr 2000 ergangen waren, bereits die Verjährung eingetreten war", sagte Haack im Januar im Volksstimme-Gespräch.

Das neue Urteil des Verwaltungsgerichts ermöglicht es dem Verband bis zum Eintreten der endgültigen Verjährung vier Jahre lang, also bis Ende 2013 Beiträge zu erheben, wo das noch nicht geschehen ist beziehungsweise wo die Grundstücksbesitzer damals weniger bezahlt hatten. Dazu sei man gesetzlich verpflichtet, teilte die WAZV-Geschäftsführung der Volksstimme mit.

Die Bürgermeister der betreffenden Mitgliedsgemeinden seien von diesem Sachverhalt bereits unterrichtet worden, sagte Dr. Rosenthal. Auf die Frage, warum man nicht erst die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) abwartet, wie im Fall der zu viel bezahlten Niederschlagswassergebühren, die der Verband erst nach einem Urteil des OVG an die betreffenden Kunden zurück zahlen will, verwies der WAZV-Geschäftsführer auf die Verjährungsfrist.

"Die Bürgerinitiative ,Bezahlbares Abwasser\' wird alles erdenkliche dagegen tun."

Nachbezahlen müssen die Grundstücksbesitzer, bei denen damals eine Kappungsgrenze von nur 723 Quadratmeter angesetzt worden war, teilte der WAZV mit. Da diese heute 1241 Quadratmeter beträgt, werden alle Hauseigentümer, deren Grundstück zwischen 723 Quadratmeter bis 1241 Quadratmeter groß ist, jetzt erneut zur Kasse gebeten. Der Beitragssatz, mit dem die Differenz alte Kappungsgrenze/tatsächliche Grundstücksgröße multipliziert werden muss, beträgt 3,74 Euro je Quadratmeter.

Dieses Thema steht am Dienstag, dem 20. März, um 16.30 Uhr auf der Tagesordnung der nächsten Verbandsversammlung des AZV in Abwicklung Am Schütz 2 in Staßfurt.

Der Vorsitzende der rund 600 Mitglieder zählenden Bürgerinitiative "Bezahlbares Abwasser", Dr. Bernhard Pech, kommentierte die neue Entwicklung mit den Worten: "Es ist schon eine Unverfrorenheit, mit welcher Dreistigkeit den Bürgern in die Taschen gegriffen werden soll! Wegen angeblich unkorrekter Veröffentlichung der Satzungen war dadurch erst die Herstellungsbeitragssatzung aus dem Jahre 2009 rechtsgültig."

Wenn dem so sei, wieso konnten die Herstellungsbeiträge vor 2009 erhoben werden, fragt sich Dr. Pech. Und wieso sind die Kappungsgrenzen für übergroße Grundstücke überhaupt verändert worden, möchte er gern wissen.

Dr. Pech: "Die Schmutzwasser-einleitung hängt ja auf keinem Fall von der Größe des Grundstückes ab! Aber hier kann man ganz offiziell dem Bürger in die Tasche greifen. Da kann man ja gleich Steuern auf die Anzahl der Fensterkreuze erheben."

"Wer prüft überhaupt die Satzungen? "Wo bleibt da die Planungs- und Rechtssicherheit für Grundstückseigentümer? Dies sind Fragen, die sich unsere gewählten Kommunalvertreter stellen sollten, um die Interessen ihrer Wähler vertreten zu können", sagte Dr. Pech.

"Die Bürgerinitiative ,Bezahlbares Abwasser\' ist mit so einer sehr fragwürdigen Nacherhebung auf keinen Fall einverstanden und wird alles erdenkliche dagegen tun", versicherte Dr. Pech den Betroffenen.