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Beim Tag der offenen Tür im DRK-Wohnheim in Kehnert zeigten Bewohner wie sie leben und arbeiten Im Haus Seeberg wird der Alkohol vergessen

Von Rudi-Michael Wienecke 23.09.2013, 03:22

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) feiert in diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen. Das war den Bewohnern und Mitarbeitern des DRK-Heims Haus Seeberg in Kehnert Grund genug, um am Sonnabend die Türen ihrer Einrichtung zu öffnen.

Kehnert l 30 Männer und Frauen, alle trockene Alkoholiker, leben und arbeiten in Kehnert unter dem Dach des Haus Seeberg. Wie sie dort leben und was sie arbeiten zeigten sie am Sonnabend, indem sie die Türen der Einrichtung öffneten. Die Einladung kam an. Viele Einwohner aus Kehnert und den umliegenden Orten, Angehörige und auch ehemalige Bewohner des Haus Seeberg fanden den Weg in das abgelegene Dörfchen an der Elbe.

Im Musical verarbeitete Jan Gubatz seine Geschichte

Die Mädchen und Jungen aus der Kindertagesstätte Cobbel erfreuten die Gäste nach Eröffnung der Veranstaltung mit einem Programm. Den kulturellen Teil am Nachmittag übernahmen die Seeberger selbst. Die Faschingsgruppe der Einrichtung begeisterte mit einem Musical. Geschrieben wurde das Stück von Jan Gubatz, der im Wohnheim ein neues zu Hause fand. Er hat seine eigene Geschichte darin verarbeitet. Die älteren Besucher konnten bei Kaffee und Kuchen ins Gespräch kommen. Gebacken hatten die Bewohner der Einrichtung übrigens selbst und ihre Künste wurden reichlich an diesem Tag gelobt. Die Kinder dagegen konnten auf der Hüpfburg toben, sich auf Ponys als Reiter ausprobieren oder am Glücksrad drehen. Das 150-jährige DRK-Jubiläum war ein willkommener Anlass für Bewohner und Betreuer, um sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, "denn viele wissen gar nicht, dass es uns gibt", so die Leiterin der Einrichtung, Andrea Rödling. 27 Männer und drei Frauen, durch Alkohol unterschiedlich schwer körperlich oder seelisch geschädigt, seien derzeit im Wohnheim untergebracht. Nach Entgiftung und Langzeittherapie hätten sie in Kehnert Halt gefunden. "Unter den Bewohnern haben wir auch zwei Pärchen", betont Andrea Rödling. Ein Paar habe sich im Haus sogar kennen- und lieben gelernt und heiratete dort auch.

Ziel von Andrea Rödling und ihrem Betreuerteam sei es, die Suchtkranken "auf das Leben da draußen" vorzubereiten. Durchschnittlich drei bis fünf Jahre würden die Betroffenen bis dahin in Kehnert verbringen, viele blieben länger. Wichtig sei, dass die Bewohner nach dem Durchleben ihrer Sucht wieder zu festen Strukturen finden, ihren Leben einen Sinn geben. Voraussetzung sei ein geregelter Tagesablauf, der mit dem pünktlichen Frühstück beginnt. Je nach Grad der Schädigung begeben sich anschließend die einen zur Beschäftigungs- und die anderen zur Arbeitstherapie. Gearbeitet wird in Töpferei, Kantine, Wäscherei, im Garten oder auch in der Tischlerei. In letzterer zeigte der gelernte Maurer Ralf Baum am Sonnabend, mit welchem Talent er in den vergangenen Jahren vom Stein auf Holz umsattelte. Innerhalb von vier Wochen baute er ein filigranes Puppenhaus.