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Landgericht: Bewährung für Elternpaar Eltern verweigerten Insulin für zuckerkrankes Kind

Die vierjährige Sieghild starb, weil ihre Eltern ihr nicht genug Insulin
gaben. Das Landgericht Hannover hat das in der Altmärkischen Wische
lebende Paar zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Eltern hatten bei der
Behandlung ihrer Tochter auf obskure alternative Heilmethoden gesetzt.

13.02.2015, 01:31

Hannover/Wische (dpa/bb) l Zu Bewährungsstrafen hat das Landgericht Hannover ein Elternpaar aus der Altmärkischen Wische verurteilt, das seine diabeteskranke Tochter nicht ausreichend mit Insulin versorgt und dadurch den Tod der Vierjährigen verursacht hat (die Volksstimme berichtete). Das Mädchen starb Weihnachten 2009. Der 32-Jährige BaldurB. und seine vier Jahre jüngere Frau Antje Renate B. erhielten am Mittwoch je acht Monate Haft wegen fahrlässiger Tötung. Die Eltern müssen aber nicht ins Gefängnis, weil die Strafen zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Anhänger der "Neuen Germanischen Medizin"

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Paar vorgeworfen, es habe sein Kind vom Insulin entwöhnen wollen und ihm stattdessen Rohkost gegeben. Laut Anklage sollen die Eltern, die zur Tatzeit in Uelzen lebten, die Hormongabe bewusst reduziert haben, weil sie an die Heilsvorstellungen der "Neuen Germanischen Medizin" glaubten. Dahinter steht der mehrfach verurteilte ehemalige Arzt Ryke Geerd Hamer, mit dem die Mutter Kontakt hatte.

"Dass man von Herrn Hamer nicht viel halten kann, steht außer Frage", sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Rosenbusch. Es gebe aber keine Beweise dafür, dass die Eltern ihr Kind tatsächlich vom Insulin entwöhnen wollten. Der Richter betonte, solange es um das eigene Leben gehe, sei es in Ordnung, alternative Heilmethoden auszuprobieren. "Sie können sich bei einem Kind aber nicht beliebig irrationalen Vorstellungen hingeben", betonte er. "Sie hatten eine Pflicht zum Handeln."

Eltern wuchsen im rechtsextremen Milieu auf

Das Paar habe es versäumt, die Therapie seiner Tochter vernünftig medizinisch begleiten zu lassen. "Aber dass sie liebende Eltern sind, die sich Sorgen gemacht haben, das stellt niemand in Frage", sagte der Richter.

Die Eltern waren im Neonazi-Milieu aufgewachsen, ihre fünf Kinder tragen altdeutsche Namen. Die Mutter wuchs in der vom mittlerweile verstorbenen rechtsextremen Anwalt Jürgen Rieger geleiteten "Artgemeinschaft" auf, der Vater war Mitglied in der 1994 verbotenen "Wiking-Jugend" wie beide vor Gericht aussagten.