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"Ich fühle mich bestärkt"

20.07.2015, 18:29
Schmotz-Interview
Schmotz-Interview Bernd-Volker Brahms

Die Wähler haben vor vier Wochen Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) im Amt bestätigt und wollen ihn weitere sieben Jahre im Rathaus sehen. Die Volksstimme- Redakteure Marc Rath und Bernd-Volker Brahms sprachen mit ihm über neue Ziele. Das Gespräch wird in zwei Teilen veröffentlicht.

Volksstimme: Bei der Kommunalwahl gab es nur eine Wahlbeteiligung von 31,5 Prozent. Sie haben vor kurzem gesagt, dass die übrigen 68,5 Prozent sich möglicherweise gesagt haben: Die Stadt hat sich gut entwickelt, wir sind zufrieden und wollen keine Veränderungen. Glauben Sie das wirklich?

Klaus Schmotz: Man kann nur Klarheit bekommen, in dem man die Nichtwähler befragt. Ich habe es so interpretiert, dass die Menschen mit der Entwicklung in Stendal zufrieden sind mit allen Facetten und Problemen, die existieren. Es muss ja keiner wählen. Also kann es auch ein Ausdruck dafür sein, dass jemand sagt, es läuft und derjenige davon ausgeht, dass die Verantwortlichen das schon richten werden.

Ist es auch eine Herausforderung, mal genauer hinzuhören in die Vereine und Verbände, um mal zu hören, warum die Leute sich nicht beteiligen?

Das ist eine Frage, die wir uns schon seit vielen Jahren stellen. Wir haben ja in fast allen Bundesländern eine rückläufige Tendenz bei Wahlen. Man kann es in zwei Richtungen interpretieren. Die einen sagen, es kann so weiterlaufen, es ist in Ordnung. Das andere Extrem ist, zu sagen, ich kann mit meiner Stimme eh nichts ändern. Was soll ich da machen? Dazwischen gibt es sicherlich eine Menge Nuancen. Unter dem Strich ist eine geringe Wahlbeteiligung nicht gut, aber wir leben in einer freien Gesellschaft. Da kann man nicht erwarten, dass jeder zur Wahl geht, nur weil andere das möchten.

"Man kann durchaus in der Sache polarisieren, aber man sollte immer Respekt vor der Meinung des anderen haben"

Sie sind ja auch Teil des Ergebnisses. 2001 hatten Sie 7000 Stimmen. Wenn man nun mal die Ortsteile, die ja später dazugekommen sind, rausrechnet, dann haben Sie jetzt nur noch 4000 Leute gewählt - also gerade einmal 60 Prozent. Wie sehr trifft Sie der Stimmenverlust und die damit geschrumpfte Anhängerschaft?

Ich glaube nicht, dass die Anhängerschaft geschrumpft ist. Ich hatte vor meiner Wahl und erst Recht danach eine Menge Zuspruch mit Schulterklopfen. Keiner hat mir gesagt: jetzt müssen wir Sie noch einmal sieben Jahre ertragen. Man muss es so akzeptieren, wie es ist. Viele sprechen von einem knappen Wahlausgang, 16 Prozent vor der nächsten Mitbewerberin ist ja auch nicht gerade ein geringer Abstand. Ich bin mit meinem Wahlergebnis zufrieden. Ich fühle mich bestärkt in meiner Arbeit und werde so auch weiterarbeiten.

Sie haben im Wahlkampf angekündigt, Gesprächsangebote an andere Fraktionen "ohne Ausgrenzung" zur sachgebundenen Arbeit zu machen. Das ist doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit für ein Stadtoberhaupt. Warum benennen sie dies nach zwei Amtsperioden als ersten Punkt?

Mein Eindruck ist, dass wir zuletzt im Stadtrat nach außen - und ich sage es im konjunktiv - den Eindruck vermittelt haben könnten, wir würden uns mehr mit uns selber als mit der Stadtentwicklung beschäftigen. Es geht in einem Stadtrat und im Oberbürgermeisteramt stets darum, der Stadt Bestes zu suchen - um auf einen Spruch aus dem Alten Testament zurückzugreifen. Wir können uns im Stadtrat lange und trefflich streiten, ob wir noch einen Supermarkt brauchen oder nicht. Das ist legitime Aufgabe und unbedingt auch zu machen. Aber wir dürfen es, so meine ich, nie nutzen, um persönliche Attacken gegeneinander zu fahren. Ich werde das am Dienstag bei der konstituierenden Sitzung auch deutlich in meiner Eröffnungsrede formulieren, dass es mir darauf ankommt, dass fraktionsübergreifend die Belange der Stadt absolut in den Vordergrund zu stellen und wir damit auch den Schatten der verkorksten Wahl des Jahres 2014 ein Stück wieder beseitigen müssen. Durch eine zielgerichtete und auch streitbare Arbeit für die Menschen hier in Stendal und in den Ortsteilen.

Politik wird von Menschen gemacht und die Protagonisten des Stadtrates sind - in der Spitze - ja nun die gleichen mit ihren herausragenden Charaktereigenschaften, zu denen ja auch das Polarisieren gehört.

Man kann durchaus in der Sache polarisieren, man kann auch eine schärfere Klinge schwingen, aber man sollte immer Respekt vor der Meinung des anderen haben. Egal wie sie ist und in welcher Form sie vorgetragen wird. Es bringt nichts, mit Sprüchen Stadtpolitik zu machen. Wir müssen uns auf die Dinge konzentrieren, die wir uns schon vor Jahren vorgenommen haben und die offen geblieben sind. Wir haben eine Vielzahl von Konzepten, die ihrer Umsetzung harren.

Soll es denn eine andere Atmosphäre im Rathaus geben? Wird sich personell etwas ändern?

Dass ich jetzt nach der Wahl Leute freisetze, was ich eh nur in begrenztem Maße kann, gibt es nicht. Aber wir müssen uns schon überlegen, ob wir mit der momentanen Struktur für die Zukunftsaufgaben gut ausgerichtet sind. Ich will ein Beispiel nennen. Wir haben das Thema Breitband, das wabert hin und her. Das gehört nach der klassischen Verwaltungsstruktur nirgendwo so richtig hin. Wir haben eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten der EU, des Bundes und des Landes. Wir haben niemanden, der alle Förderstränge auf der Liste hat und der dann sagt, hier und dort können wir etwas machen. Da fällt mir auch das Thema Winckelmann ein. Entgegen den Versprechungen des Landes gibt es wohl keine weitere Förderung für die anstehenden Jubiläen 2017 und 2018. Hier müssen wir Möglichkeiten finden.

"Ich bin gern bereit, mich im etwas fortgeschrittenen Alter zu entwickeln, was Gestaltung anlangt und auf Ideen zu hören"

Sie sprechen von einer mehr cleveren Fördermittelakquise?

Wir haben in den letzten Jahren nichts gemacht, was nicht gefördert worden ist. Da waren wir schon clever. Die Frage ist, waren wir schon clever genug.

Können Sie sich vorstellen, ein neues Amt zu installieren?

Nein, ein Amt nicht. Das reicht nicht für ein ganzes Amt. Ich stelle mir vor, dass ich eine Stelle habe, die einen kompletten Überblick hat über alle Förderprogramme. Praktische Beispiele zeigen, wo es Vereinen, Verbänden und Unternehmen gelingt, Fördertöpfe anzuzapfen, von denen man vorher nichts oder nur wenig gehört hat. Was die können, können wir auch.

Dazu brauchen Sie Fachleute. Kann es sein, dass Sie noch neue Leute ins Rathaus holen?

Wenn ich in den eigenen Reihen niemanden finde, der eine solche Aufgabe bewältigen kann, dann könnte ich mir je nach Haushaltslage auch jemanden von außerhalb vorstellen. Aber wir müssen zusehen, dass wir in den kommenden Jahren unseren Haushalt noch einigermaßen gedeckelt bekommen. Wir haben ja ambitionierte Sanierungsvorhaben in der Innenstadt. Wir haben in den Ortsteilen eine Menge Vorhaben, die wir umsetzen wollen. Anderseits könnte diese Fördermittelgeschichte auch ausgelagert werden. Ich habe schon einmal mit dem Geschäftsführer des BIC gesprochen, ob das BIC nicht für die Stadt und auch den Landkreis diese Aufgabe übernehmen kann. Das ist eine Option.

Wie sehen Sie Ihre eigene Rolle. Es gibt ja Leute, die sagen über Sie, dass Sie ein guter Verwalter und weniger ein Gestalter sind. Sehen Sie sich auch so?

Mag sein, dass ich aufgrund meiner Verwaltungserfahrung auch verwalten kann. Ich denke, wenn man das 14 Jahre lang gemacht hat, hat man es auch bewiesen. Aber ich bin auch ein Gestalter. Ich will das mal an einem Beispiel festmachen. Wir haben im Jahre 2010 teilgenommen an der Internationalen Bauausstellung, die sich ganz explizit dem Thema demografischer Wandel gewidmet hat. Wir sind als Teilnehmerstadt damals auch ausgezeichnet worden. Im Masterplan bis 2025 ging es darum, wie wir bis dahin unsere Stadt gestalten wollen. Was wir heute umsetzen, ist aus dieser Analyse entstanden. Ich bin kein Mensch, der zu Utopien neigt. Ich haue, um es salopp zu sagen, selten lebensfremde Ideen heraus. Zum Beispiel, dass wir uns als Olympiastandort bewerben, um es einmal zu übertreiben. Da bin ich als Ökonom zu nüchtern.

Sie halten es mit Helmut Schmidt?

Richtig. Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Ich bin aber gern bereit, mich im etwas fortgeschrittenen Alter zu entwickeln, was Gestaltung anlangt und auf Ideen zu hören. Es sind schon Ideen, wenn man daran denkt, den Bürgerpark, der über viele Jahrzehnte ein wenig beachtetes Dasein fristete, zu neuem Leben zu verhelfen. Jemand hat mir vorgeschlagen, doch eine Landesgartenschau dahin zu holen. Da hat es bei mir dann schon wieder die Nüchternheit gegeben. Ich halte es aber für eine realistische Vision, 2022 zur 1000-Jahr-Feier den Sachsen-Anhalt-Tag nach Stendal zu holen. Wenn der Stadtrat sich jetzt neu konstituiert hat, dann bekommt der Stadtrat eine Vorlage. Das soll aber keine persönliche Abschiedsfeier werden.

Obwohl ihre Amtszeit genau dann ausläuft?

Es liegt fast zusammen, aber das ist nicht meine Intention.

Teil zwei des Interviews erscheint in der morgigen Ausgabe