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Gehörlose trainieren mit hörenden Spielern beim SG Freundschaft Schernebeck Gesten und Zeichen auf dem Weg zum Torerfolg

Von Silvia Jaeck 23.07.2011, 04:34

Die Stendaler Alexander Adler und Thomas Niebylski haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sind gehörlos und spielen Fußball. Für den GSC Hamm spielen sie in der B-Liga für Gehörlose, doch beim SG Freundschaft Schernebeck bekommen sie ihre Anweisungen von einem hörenden Trainer. Es reichen schon Gesten, aber manchmal müssen auch Stift und Zettel her.

Stendal.Deutscher Meister zu werden, ist der große Traum der beiden Fußballer Alexander Adler und Thomas Niebylski. Mit ihrem aktuellen Verein aus der Kreisklasse, dem SG Freundschaft Schernebeck, dürfte das eher schwierig werden.

Aber Alexander und Thomas verbindet eine Besonderheit – sie sind gehörlos. Seit einem Jahr spielen sie, wie auch der gehörlose Thomas Klajda, für beide Schernebecker Mannschaften. "Wir haben uns sofort willkommen gefühlt", blickt Alex zurück. "Alle waren herzlich, und es gab keine Berührungsängste."

Fußball ist das große Hobby der Stendaler. Dafür nehmen sie viel Reisezeit in Kauf. Denn Alexander und Thomas sind nicht nur auf den Fußballplätzen der Altmark, sondern auch in Nordrhein-Westfalen aktiv. Mit dem GSC Hamm spielen sie in der kommenden Saison in der B-Liga für Gehörlose, und sind während der Spielzeiten damit zusätzlich etwa alle zwei Wochen für Punktspiele im Westen Deutschlands unterwegs – und mit Hamm sind die Chancen nicht nur groß, in die A-Liga aufzusteigen, sondern auch einmal Landes- oder Deutscher Meister zu werden.

Doch auch wenn große Titel winken, fühlen sie sich auf dem Platz unter den Hörenden wohl. "Das Spielen ist bei den Hörenden viel anspruchsvoller, härter und strenger und man muss bedeutend mehr leisten", erklärt Thomas, der mit anderthalb sein Gehör durch eine Hirnhautentzündung verlor. "Ich komme sogar besser mit den Hörenden auf dem Platz aus, als mit den Gehörlosen."

Gesten und Zeichen reichen den Sportlern, um sich zu verständigen. An der Seitenlinie greift der Schernebecker Trainer Maik Tänzer dann doch schon mal zu Stift und Zettel, notiert die Anweisungen, die er an die Gehörlosen weitergibt. "Es ist schon schwieriger, Alex und Thomas zu lenken, aber mit der Zeit wurde das Zusammenspiel immer besser", so Tänzer. Ihre Mitspieler schätzen vor allem die Laufstärke der beiden. "Sie kämpfen um jeden Ball", sagt Abwehrspieler Thomas Havelberg.

"Nur die Mentalität ist anders"

Wirkliche Unterschiede in den zwei Ligen spüren die beiden beim Fußballspielen eher nicht. "Nur die Mentalität ist vielleicht anders", sagt Alex. "Wenn Gehörlose auf dem Platz Fehler machen, sind sie schneller wütend und schimpfen mehr."

Nie hätten sie den Eindruck gehabt, durch ihre Gehörlosigkeit einen Nachteil zu haben. "Im Gegenteil, es gibt auch Vorteile. Wenn mein Nachbar eine Party feiert, interessiert mich das einen Keks – denn ich kann schlafen", sagt Alex und grinst. Der 24-Jährige wurde gehörlos geboren. Mit sechs wurde ihm ein Cochlea-Implantat eingesetzt – eine so genannte Hörprothese. Damit konnte er zwar Geräusche wahrnehmen, ein Klavier erkennen oder ein Auto heranfahren hören, "aber die Lautsprache habe ich dadurch nicht gelernt." Mit 18 Jahren verzichtete er auf die Hörhilfe. Und er lebt damit gut.

"Wir sind viel unterwegs und treffen uns mit Gehörlosen in ganz Deutschland", erzählt Thomas. Mit dem öffentlichen Nahverkehr können sie kostenlos reisen. Das macht das soziale Leben für beide leichter. 80000 Gehörlose leben in Deutschland. Thomas und Alex haben wenige Hörende in ihrem Freundeskreis. "Anders als Hörende bleiben wir an den Wochenenden selten am Heimatort, sondern treffen dann zum Beispiel Freunde in Halle."

Zu Freunden sind aber auch die Spieler des SG Freundschaft Schernebeck geworden. Auch wenn keiner ihrer Mitspieler das Gebärden beherrscht, verstehen sich die Teamkollegen auch abseits vom Platz. "Aber es wäre toll, wenn alle die Gebärdensprache könnten", wünscht sich Alex und erkennt den Vorteil: "Das wäre dann wie eine Geheimsprache für unsere Gegner." Für einen Meistertitel würde das wahrscheinlich nicht reichen, aber vielleicht für einen Aufstieg der Schernebecker in die Kreisliga.