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Eduard Stapel ist heute seit genau 30 Jahren in der Schwulenbewegung engagiert Homosexualität noch immer ein Randthema

Von Thomas Pusch 25.04.2012, 05:18

Bismark l "Unter Männern - Schwul in der DDR", der Film , der bereits während der Berlinale gezeigt wurde, feiert heute seine Zweitpremiere in Leipzig. Mit dabei sein wird Eduard Stapel, der eine wichtige Rolle in dem Streifen spielt. Und für ihn ist heute auch noch aus einem zweiten Grund ein besonderer Tag. Vor genau 30 Jahren begann Stapels Engagement in der Schwulenbewegung.

Am 25. April 1982 luden er und ein paar Mitstreiter unter der Überschrift "Tabu Homosexualität - Wie gehen wir damit um?" zu einer Veranstaltung mit Dr. Jürgen Ziemer am Theologischen Seminar in Leipzig ein. Ursprünglich sollte sie im großen Raum der Studentengemeinde stattfinden, der bequem 50, enggestellt 80 Plätze beherbergen konnte. "Aber auch das reichte nicht, wir mussten in die Kirche umziehen", erinnerte sich Stapel im Gespräch mit der Volksstimme.

Keiner hatte vorhersehen können, wir groß das Interesse an dem Thema sein würde. Es war groß und blieb es auch. "Wir haben uns fortan alle 14 Tage getroffen und das sogar bis in die 90er Jahre durchgehalten", fügte er hinzu. Nach der Wende seien die Ost-Schwulen-Kirchengruppen Vereine geworden oder im Schwulen- und Lesbenverband aufgegangen.

Schwulenvereine, daran war in den 80er Jahren in der DDR nicht zu denken. Deren Gründung hätte der Zustimmung der SED bedurft und die lehnte derlei Ansinnen mit einem schroffen "Das brauchen wir in der DDR nicht" ab. Aber bei den 14-tägigen Treffs wurde klar, dass man eine politische Bewegung brauchte. Im Jahr darauf machte sich die Gruppe bei Kirchentagen zum 500. Geburtstag Martin Luthers bei 500000 Menschen bekannt.

Die Inhalte der Treffen waren nicht immer vordergründig politisch. Da ging es dann manchmal auch um schwule Prominente wie Tschaikowsky und Thomas Mann. "Das sollte Mut machen", erklärte Stapel. Er selbst hatte allerdings nie Angst. Auch nicht, als die Stasi ihn bespitzelte. "Meine Akte hat tausende Seiten, aber auf keiner steht, was der Staat eigentlich gegen die Schwulen hatte", konnte er dieses Rätsel auch nach der Wende nicht lösen. Auch nicht in Gesprächen mit ehemaligen IMs. Von denen die meisten selbst schwul waren. "Wie paradox, da gibt es eine Gruppe, die sich für sie einsetzt und sie spionieren sie aus", kann Stapel auch heute noch nur mit dem Kopf schütteln.

Geändert habe sich für die Schwulen eine Menge in den drei Jahrzehnten. "Wir waren eine sehr erfolgreiche Bewegung", befindet Stapel. Antidiskriminierungsgesetz und die Abschaffung des sogenannten Schwulenparagraphen 175, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, gehören sicherlich zu den Erfolgen.

Doch Stapel sieht auch Bereiche, in denen sich nicht sehr viel seit 1982 geändert hat. Die Bildung ist für ihn so ein Beispiel. "Was in den Schulbüchern über Homosexualität steht, ist allerhöchstens sehr dünn", hat er festgestellt. Und Schwule würden in der Gesellschaft nicht offener betrachtet als vor 30 Jahren. "Natürlich, früher wäre die Diskussion gleich abgelehnt worden, heute werde ich zumindest angehört", sieht Stapel dennoch kleine Fortschritte. Und hat einen Traum: "Vielleicht werde ich doch eines Tages ordiniert." Aber ganz so recht mag der Theologe denn doch nicht daran glauben.