1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. "Sign"-Projekt will Studium für Gehörlose erleichtern

80 000 Gehörlose in Deutschland, aber nur wenige studieren "Sign"-Projekt will Studium für Gehörlose erleichtern

Von Alexandra Kunze 04.09.2010, 04:15

Nur wenige der etwa 80 000 gehörlosen Menschen in Deutschland studieren. Grund: die hohen Zugangsbarrieren. Deshalb will "Sign in Magdeburg", ein Studierendenprojekt der Hochschule Magdeburg-Stendal, die universitären Rahmenbedingungen verbessern und mehr Gehörlose von einem Studium in ihrer Hochschule überzeugen.

Herrenkrug. Die Hände von Birthe Seyfarth sind immerzu in Bewegung. In schneller Abfolge spreizt sie einzelne Finger von ihrer Hand ab, malt damit Figuren in die Luft, streckt die Hand wieder ganz flach aus. Der Einsatz ihres Oberkörpers und ihre auffällige Mimik unterstreichen die Sprache ihrer Hände. "Gebärdensprachdolmetschen ist ganz schön anstrengend", sagt die 22-Jährige. "Der ganze Körper wird eingesetzt."

Birthe Seyfarth studiert im zweiten Semester an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Gemeinsam mit ihren 15 Kommilitonen hat sie im aktuellen Semester ein Projekt initiiert, das Gehörlose aus ganz Deutschland zu einem Studium in Magdeburg ermutigen soll. "Sign in Magdeburg", so der Name des Projekts, hat dabei eine doppelte Bedeutung: Das englische "Sign" steht sowohl für "Gebärdensprache" als auch für "einschreiben".

Dafür haben Birthe und ihre Kommilitonen die Situation von gehörlosen Studierenden in ganz Deutschland untersucht und sich bei Betroffenen informiert. Auf ihrer Homepage rufen sie jetzt gehörlose Studieninteressierte dazu auf, sich in Magdeburg zu bewerben – und bieten konkrete Unterstützung an, vom Ausfüllen der Bewerbungsunterlagen bis hin zum Gebärdensprachdolmetschen in künftigen Vorlesungen.

Denn die Barrieren für Gehörlose sind gerade im akademischen Raum sehr hoch. In einem diskussionsintensiven Seminar etwa brauchen die Gehörlosen einen Dolmetscher, um mit anderen Teilnehmern ins Gespräch zu kommen. In einer Vorlesung etwa eine Schreibhilfe, um dem Vortrag des Professors zu folgen. Denn das Ablesen von den Lippen auf größere Entfernung ist anstrengend, außerdem verhindert der stete Blick nach vorn, sich zeitgleich Notizen zu machen. Um die Veranstaltungen vor- und nachzubereiten, sind die Gehörlosen auf Hilfe von Tutoren angewiesen.

Da wundert es kaum, dass von den etwa 80 000 Gehörlosen in Deutschland schätzungsweise nicht mehr als 100 studieren. "Bei diesem Aufwand ist es ja schon schwierig, das Abitur zu machen", sagt Birthe Seyfarth.

Mit der Initiative "Sign in Magdeburg" sollen diese Hürden herabgesetzt werden. Zunächst geht es darum, Gehörlose im Studiengang "Soziale Arbeit" zu unterstützen. Hierfür stehen die Studierenden des Gebärdensprachdolmetschens als Übersetzer bereit.

Und das Konzept scheint aufzugehen: die ersten Interessenten sind gefunden. So spielt etwa der 24-jährige Sebastian König, von Geburt an gehörlos, mit dem Gedanken, sich für das Studium an der Hochschule einzuschreiben. Von klein auf besuchte er eine Schule für Schwerbehinderte, hat anschließend den Abschluss des Sozialassistenten erlangt. Das Konzept von "Sign in Magdeburg" findet er überzeugend. Mit den hier angebotenen Hilfen zu studieren wäre eine Entlastung, kommuniziert er mit seinen Händen. Und die praktische Anwendung der Gebärdensprache nutzt wiederum den Studierenden des Gebärdesprachdolmetschens.

www.sgw.hs-magdeburg.de/sim