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Innenminister Stahlknecht wirbt in Wernigerode für eine Reform der Sicherheits-Landkarte Nicht nur gefühlt zu wenig Polizei im Dorf

Von Tom Koch 06.09.2013, 01:05

Wetter und Polizei, Themen eines Forums mit dem Innenminister in Wernigerode. Nicht nur Holger Stahlknecht (CDU) findet, es gibt mehr Gemeinsamkeiten als auf den ersten Blick vermutet.

Wernigerode/Silstedt l Drei Grad plus zeigt das Thermometer, doch gefühlt bläst der Wind mit mindestens minus vier Grad ins Gesicht. "Genauso ist es mit der Sicherheit", wählt Innenminister Holger Stahlknecht den Wettervergleich. Objektiv gibt es wenig Gefahren, subjektiv wünschen sich jedoch viele Menschen, dass die Polizei viel häufiger im Einsatz zu sehen ist.

Gerade ist ein junger Mann in einer Wernigeröder Kneipe erstochen worden. Doch der CDU-Minister bekräftigt vor seinen Parteifreunden: "Sachsen-Anhalt ist ein sicheres Land." Die Gefahr, Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden, sei ungleich größer als Opfer eines Gewaltverbrechens zu sein, zitiert der Minister aus der Statistik. Niemand käme auf den Gedanken, deswegen das Autofahren zu verbieten.

Betroffen zeigt sich der Politiker von den Schilderungen von Karl-Heinz Mänz (CDU). Unbekannte hatten im August bei der Feuerwehr eingebrochen, das Gerätehaus verwüstet, einen Mannschaftstransporter gestohlen und das Fahrzeug später in Brand gesetzt, berichtete Silstedts Bürgermeister. Mänz: "Brauchen wir im Ort jetzt eine Bürgerwehr?"

Nach Anschlag auf die Feuerwehr: "Brauchen wir eine Bürgerwehr?"

Ortsbürgermeister Mänz

Nein, so der oberste Chef der Polizei im Land. Er wolle stattdessen in einem Gespräch von Mänz erfahren, an welcher Stelle das Land der Silstedter Feuerwehr jetzt helfen könne, kündigte Stahlknecht an. In der Wernigeröder Gesprächsrunde machte der Politiker gar keinen Hehl daraus: Ja, das Land steht vor großen Herausforderungen - auch bei der Polizei. Bereits heute werde diese "auf Verschleiß gefahren".Speziell in den Polizeistationen müsse tagtäglich improvisiert werden, um der Personalnot zu begegnen. Nominell gehörten sieben, acht Beamte zum Personal in den Stationen wie es sie im Harz in Ilsenburg oder Thale gibt. "Doch tatsächlich sind wegen Urlaubs und Krankheit oft höchstens zwei Polizisten verfügbar", sagt Stahlknecht.

Und in seiner bekannt forschen Art verschont er selbst Amtsvorgänger nicht von seiner Kritik: "In diesem Laden gab es 21Jahre kein Personalkonzept." Allem politischen Gegenwind selbst aus den Regierungsparteien CDU und SPD zum Trotz, wirbt der Innenminister für neue Polizeistrukturen. 6700Beamte gibt es heute Land, deren Zahl soll bis zum Jahr 2019 auf 5000sinken. Stahlknecht sagt aber auch, schon heute gebe Sachsen-Anhalt 108Millionen Euro mehr für die Sicherheit im Land aus als Niedersachsen.

Es ist Wahlkampf im Land, davon kann sich auch der CDU-Minister nicht lösen: Er wolle nicht mehr hinnehmen, dass der Autoritätsverlust der Polizei stetig zunimmt, "solche Chaoten müssen wir ausgrenzen". Er sagt auch, allein der Polizeieinsatz in Magdeburg vom Januar, als Tausende Menschen gegen einen Neonazi-Aufmarsch protestiert hatten, habe 800000Euro gekostet. "Nur zum Vergleich", so Stahlknecht, "in Osterwieck beträgt der Jahresetat für die Vereinsförderung nur 65000Euro." Nach kurzer Pause muss selbst der Christdemokrat einräumen, ein solcher Vergleich sei nicht ganz stimmig und gehöre eher an den Stammtisch.

"Die Einsatzkreise noch einmal auf ihre Alltagstauglichkeit abklopfen."

Ordnungsdezernent Friedrich

Auf die Frage, ob es einen SMS-Service gibt, mit dessen Hilfe Gehörlose in Notsituationen Hilfe alarmieren können, sagt der Minister, mit diesem Thema müsse er sich zunächst vertraut machen. Auf die Forderung von Wernigerodes Ordnungsdezernenten Volker Friedrich, die geplanten "Einsatzkreise" der Polizei vor allem in ländlichen Regionen "müssen noch einmal auf ihre Alltagstauglichkeit abgeklopft werden", sagt Stahlknecht nichts. Und er schweigt auch beharrlich, als er zur aktuellen Entwicklung in der hoch verschuldeten Oberharzstadt gefragt wird.