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Kollisionswarnsystem auf Fachmesse in Berlin präsentiert / Flächendeckender Einsatz ab 2016 geplant Neueste Technik für alte Dampfbahnen

Von Ingmar Mehlhose 01.10.2014, 03:07

Ein Kollisionswarnsystem für die Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB) ist jetzt auf der Messe InnoTrans in Berlin vorgestellt worden. Erste Tests haben bereits stattgefunden. Bis 2016 soll das Projekt auf dem Streckennetz umgesetzt werden.

Wernigerode/Berlin l Auf den ersten Blick ist es nur ein unscheinbarer Kasten. Tatsächlich aber handelt es sich um ein neuartiges System, das laut HSB-Sprecherin Heide Baumgärtner in Anlehnung an die Luft- und Raumfahrttechnologie entwickelt worden ist. Verantwortlich dafür zeichnet die Firma Intelligence on Wheels aus Gilching bei München.

Die Technik verzichtet gänzlich auf die klassischen Methoden zur Überwachung von Zügen. Alle Komponenten sind an Bord untergebracht. Dadurch müssen keine kostenintensiven Ausrüstungen an der Infrastruktur der Strecken installiert werden.

Wie Heide Baumgärtner erläutert, werden alle zur Vermeidung von Zusammenstößen notwendigen Parameter erfasst. So zum Beispiel die genaue Position, die Geschwindigkeit, aber auch das Bremsvermögen. Diese Informationen werden direkt per Funk an alle ausgerüsteten Züge innerhalb des neuen Systems übermittelt. Wird von diesem eine kritische Situation erkannt, erhält das Personal akustische und optische Warnzeichen. Die betroffene Bahn kann dadurch rechtzeitig angehalten werden.

Eine Pilotinstallation konnte in den vergangenen Monaten bereits bei der HSB unter Einbeziehung der Sicherheitsbehörde erprobt werden. Heide Baumgärtner: "Die Dampfloks 99 7236 und 99 7247 wurden mit den notwendigen Komponenten ausgerüstet." Sie absolvierten neben den planmäßig anstehenden Touren spezielle Mess- und Versuchsfahrten. Ziel dieser ersten Tests war es vor allem, Erkenntnisse zur generellen Einsetzbarkeit bei der HSB zu sammeln. Die Sprecherin: "Im Gegensatz zu anderen Anwendern herrschen bei uns ganz besondere Rahmenbedingungen." Dazu zählen der tägliche Dampflokbetrieb, die außergewöhnlichen klimatischen Bedingungen rund um die Brockenkuppe und die Topografie des Mittelgebirges, die Auswirkungen auf die Erreichbarkeit per Funk bedingt. Die technische Aufrüstung hat indes einen ernsten Hintergrund, erklärt Heide Baumgärtner weiter. Nach dem schweren Eisenbahnunfall bei Hordorf im Januar 2011 hat der Gesetzgeber eine Ausrüstungspflicht mit einer sogenannten Zugbeeinflussung für regelspurige Bahnen vorgeschrieben, auf denen mehr als ein Reisezug verkehrt. Das Streckennetz der HSB ist nur eingleisig ausgebaut. Außerdem gibt es zahlreiche Kreuzungen mit Straßen und Wegen. Auf den Abschnitten Wernigerode-Brocken und Nordhausen Nord-Ilfeld Neanderklinik wird ein signalisierter Betrieb praktiziert. Auf allen anderen Routen geht es klassisch zu. Die Basis hier bilden über Funk abgegebene Meldungen. Um die Sicherheit weiter zu erhöhen, haben das Landes-Verkehrsministerium und die HSB nach Alternativen zu der kostenintensiven Ausrüstung der Triebfahrzeuge und Infrastruktur gesucht.

Und möglicherweise jetzt gefunden. Das neue System zur Vermeidung von Zugkollisionen ist nämlich gerade auf der Internationalen Messe für Verkehrstechnik InnoTrans in Berlin präsentiert worden. Thomas Webel als zuständiger Minister (CDU) nahm die Technik persönlich in Augenschein. Anschließend schwärmte der Christdemokrat: "Ein innovatives Sicherheitssystem in alter Technik wird sicher auch über die Grenzen von Sachsen-Anhalt hinaus Interesse wecken." Und: "Wir sind stolz darauf, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen."

Bis das Projekt umgesetzt werden kann, dauert es allerdings noch. Laut HSB-Sprecherin Baumgärtner soll bis 2016 der unscheinbare Kasten auf allen Strecken Standard sein.