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Podiumsdiskussion der SPD im Schlosskeller - Thema: Die Novellierung des Tierschutzgesetzes Tierschützer sind sich einig: "Vielleicht wäre es anders, wenn Tiere Wähler wären"

Von Gudrun Billowie 14.11.2012, 02:12

Viele Tierfreunde, Landwirte, Tierärzte und Tierschützer hatten am Montagabend den Weg in den Schlosskeller gefunden. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Waltraud Wolff hatte zu einer Podiumsdiskussion zur Novellierung des Tierschutzgesetzes geladen.

Wolmirstedt l "Geboren um zu leiden" war der Titel der Podiumsdiskussion. "Zugegeben, der Titel ist provokant", sagte Moderator Wolfgang Buschner. Aber die Themen, die im Schlosskeller diskutiert wurden, zeigten auch, dass in Sachen Tierschutz noch vieles im Argen liegt. Sei es die Kastration von Ferkeln ohne Betäubung, die Haltung von Giraffen im Zirkus oder die Massentierhaltung zur Produktion von billigem Fleisch. Doch soweit mussten diejenigen, die in den Schlosskeller gekommen waren, gar nicht schauen. Schon allein das Elend der Katzen in deutschen Städten oder die prekäre Situation in den Tierheimen war Anlass zur Diskussion.

"Im Wolmirstedter Tierheim sind wir halbwegs gut aufgestellt", sagt Jürgen Schütt, Vorsitzender des Wolmirstedter Tierschutzvereins, "aber nur deshalb, weil wir fast alles ehrenamtlich stemmen."

Waltraud Wolff, die nicht nur im Bundestag, sondern auch im Stadtrat von Wolmirstedt sitzt, verweist auf die jährlichen Zuwendungen, die in den Wolmirstedter Haushalt eingestellt sind. Für die Unterbringung von Fundtieren werden 50 Cent pro Einwohner bereitgestellt, das ist eine Summe von 6100 Euro. Dazu sind für den Tierschutzverein Fördermittel von 1000 Euro abrufbar.

Heinz Paula, Tierschutzbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion, kommt weit herum in der Republik und weiß, dass viele Tierheime dem Heer der abgegebenen und Fundtiere nicht mehr Herr werden. Das sei in Wolmirstedt nicht so gravierend. Die Tiere werden relativ schnell wieder vermittelt. "Das gilt vor allem für Hunde", sagt Jürgen Schütt, "bei Katzen ist es manchmal problematisch."

Katzen bevölkern jedoch nicht nur das Tierheim, sondern sind als freilaufende Tiere auch innerhalb der Stadt ein Problem. Die Kastration beziehungsweise Sterilisation der Tiere war ebenfalls Thema der Podiumsdiskussion. Wolff schätzt deren Zahl in der Stadt auf 150 bis 200 Tiere. "Sobald ich eine Katze füttere, trage ich Verantwortung", stellte die Bundestagsabgeordnete klar. Der Vorschlag von Heinz Paula, ob, wie in Paderborn geschehen, die Kastration oder Sterilisation der Katzen angeordnet werden kann, stieß auf wenig Gegenliebe. "Erklären sie mal einem alten Mütterchen, das die Katzen füttert, dass sie nun die Kastration bezahlen muss", sagte Christa Marquardt , die aus Biederitz in den Schlosskeller gekommen war. Jürgen Schütt sah vor allem die Katzen als Problem, die niemandem zugeordnet werden können.

Waltraud Wolff warb indes für Katzenpatenschaften. Menschen sollen die Kosten für Kastration oder Sterilisation herrenloser Tiere übernehmen. "Wenn wir nicht handeln, wird das Katzenelend größer", so Jürgen Schütt.

Thema der Podiumsdiskussion war aber auch die Massentierhaltung in der Landwirtschaft. "Ist es wirklich wichtig, billiges Fleisch zu kaufen?", warf Waltraud Wolff in die Runde. "Manchmal ist es schwierig zu erkennen, woher dieses Fleisch kommt", macht Jürgen Schütt aufmerksam, "das muss den Verbrauchern einfacher gemacht werden."

Christa Marquardt sah für sich nur den einen Weg, nämlich den, das Fleisch dort zu kaufen, wo die Tiere aufwachsen. "Ich mache das seit Jahren so", sagte sie.

"Solange es Hähnchen für 1,99 Euro gibt und die Leute danach greifen, wird sich nichts ändern."

Dr. Jürgen Jensch

Von allzu detaillierter Reglementierung in der Tierhaltung hält auch Heinz Paula nichts. Er möchte, dass nach einem einfachen Grundsatz gehandelt wird: "Die Tiere sollen sich in der Aufwachsphase artgerecht verhalten." Dass eine starke Reglementierung der Massentierhaltung nicht das Allheilmittel sei, meinte auch Dr. Jürgen Jensch, der aus Gerwisch gekommen war. "Dann wandern die Produzenten nach China ab. "Das Wichtigste sei es, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren", sagte er, "solange es Hähnchen für 1,99 Euro gibt und die Leute danach greifen, wird sich nichts ändern."

Landwirt Bodo von Schilling machte auf den Zwiespalt der Landwirtschaft aufmerksam: "Wir müssen viele Menschen ernähren", sagte er, "und wir müssen hier unterscheiden, was ist artgerechte Tierhaltung und was ist politische Auseinandersetzung." Er sah keinen Platz für Feindbilder, schon gar nicht bei den Landwirten. "Sprechen Sie mit dem Bauernverband", forderte er.

Gerd Zörner aus Wolmirstedt sah in der öffentlichen Auseinandersetzung zu Tierschutzfragen noch ein großes Defizit. "Wir müssen auf diese Themen noch viel mehr hinweisen", bestätigte der SPD-Tierschutzbeauftragte Heinz Paula. Jochen Dettmer, Bundesgeschäftsführer des Vereins für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung "Neuland" setzte auf den kommenden Bundestagswahlkampf. "Ich hoffe, der Tierschutz wird ein Dauerbrenner." Das es bereits Erfolge gäbe, daran erinnerte Waltraud Wolff: "In Deutschland wird kein einziges Käfigei mehr verkauft. Und es geht."

Dennoch, vielen ging die Novellierung des Tierschutzgesetzes nicht weit genug. "Sodomie ist nicht verboten", warf Jürgen Schütt in die Runde. Auch Versuche an Menschenaffen seien weiterhin erlaubt, hatte Wolfgang Buschner recherchiert. "Vielleicht", sagte Dr. Jürgen Jensch, "vielleicht wäre es anders, wenn Tiere Wähler wären."