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Interview zum Weltkrebstag: Gute Heilungschancen durch Darmkrebs-Vorsorgeuntersuchungen "Das Schamgefühl ist das größte Hindernis"

04.02.2014, 01:24

Krebs ist immer noch eine schlimme Diagnose, doch die Heilungschancen haben sich gegenüber früheren Zeiten enorm verbessert. Chefarzt und Privatdozent Dr. Gerald Drews erläutert Volksstimme-Volontärin Franziska Werner, warum Vorsorgeuntersuchungen dabei so wichtig sind.

Volksstimme: Herr Dr. Drews, Sie sind Leiter der Viszeralchirurgie am Zerbster Krankenhaus. Was bedeutet das?

Dr. Drews: Viszeralchirurgie meint die operative Behandlung der Bauchorgane. Die inneren Organe gehören zu den am häufigsten von Krebs betroffenen Körperteilen.

Volksstimme: Welche Körperteile befällt der Krebs konkret am häufigsten?

Dr Drews: Bei Frauen ist es die Brust, bei Männern die Prostata. Europaweit gibt es außerdem eine steigende Tendenz zu Krebserkrankungen des Darms.

Volksstimme: Wie ist das zu erklären?

Dr. Drews: Veränderte Ernährungsgewohnheiten werden hierfür als Ursache vermutet, denn in Afrika oder Asien gibt es diese Häufung der Darmkrebsfälle nicht.

Volksstimme: Verursacht Darmkrebs Schmerzen?

Dr. Drews: Nein, und das ist überhaupt das Tückische am Krebs. Nur in den allerseltensten Fällen verursachen Tumore akute Schmerzen. Meist sind sie dann schon in einem fortgeschrittenen Stadium.

Volksstimme: Was wird bei einer Vorsorgeuntersuchung zum Darmkrebs gemacht?

Dr. Drews: Neben dem Blutstuhltest und der Enddarmaustastung gilt die Darmspiegelung als sicherste Methode. Mit einem ein Zentimeter dicken Schlauch, dem so genannten Koloskop, wird Luft in den Dickdarm eingeleitet. Veränderungen, wie beispielsweise Polypen auf der Darminnenwand, werden auf diese Weise sichtbar.

Volksstimme: Liegt denn eine Krebserkrankung vor, wenn Polypen entdeckt werden?

Dr. Drews: Nicht unbedingt. Polypen kommen recht häufig vor. Ich würde sagen, dass sie bei mindestens jedem fünften Patienten oberhalb des 60. Lebensjahres bei einer Darmspiegelung entdeckt werden. Meist sind sie harmlos und werden dann direkt mit dem Koloskop entfernt. Es ist aber möglich, dass sich ein gutartiger Polyp zu einem Karzinom entwickelt.

Volksstimme: Was passiert, wenn ein Polyp zu einem bösartiger Tumor wird?

Dr. Drews: Operation, Chemotherapie und Bestrahlung stehen uns als Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Wird ein Tumor aber rechtzeitig erkannt, reichen oft die operative Entfernung und Nachsorgeuntersuchungen aus. Chemotherapie und Bestrahlung müssen also längst nicht immer sein.

Volksstimme: Wer sollte zur Darmkrebsvorsorge gehen? Gibt es Riskiogruppen?

Dr. Drews: Ich würde es Menschen ab 55 Jahren empfehlen. Nach der ersten befundfreien Darmspiegelung ist die zweite erst wieder zehn Jahre später nötig, um eine gute Vorsorge zu gewährleisten. Zur Risikogruppe zählen vor allem Übergewichtige, Raucher und Patienten, die krebserkrankte Angehörige haben.

Volksstimme: Wo kann man sich in Zerbst auf Darmkrebs untersuchen lassen?

Dr. Drews: Das geht beim Facharzt für Innere Medizin mit entsprechender endoskopischer Ausrüstung oder bei dringenden Anzeichen wie Blut im Stuhl auch hier im Krankenhaus.

Volksstimme: Muss man sich vor einer Darmspiegelung fürchten?

Dr. Drews: Nein, da muss sich niemand fürchten. Schmerzen treten kaum auf und werden vorher durch Medikamentengabe vermieden. Die Intimsphäre bleibt gewahrt, denn die Patienten sind mit speziellen Untersuchungshosen bekleidet. Ich vermute, dass Scham das größte Hindernis ist, zur Darmkrebsvorsorge zu gehen. Aber, da sollte niemand Bedenken haben.

Vollksstimme: Wird eine Darmkrebsvorsorgeuntersuchung von den Krankenkassen in der Regel übernommen?

Dr. Drews: Ja, die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die präventive Untersuchung, für den Blutstuhltest ab dem 50. und für die Koloskopie ab dem 55. Lebensjahr.