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Zum Stichwort " Bildung " beim 18. Handwerkerfrühschoppen in Zerbst notiert Handwerksmeister künftig als Azubi-Werber unterwegs?

Von Thomas Drechsel 20.04.2010, 04:50

Was kann gegen die unzureichenden schulischen Leistungen der Schulabgänger unternommen werden ? Während des Handwerkerfrühschoppens am vergangenen Sonntag gingen zahlreiche Redner auf diese Frage von Kreishandwerksmeister Roland Prokop ein.

Zerbst. Die Auftragsvergabe der öffentlichen Hand, die hohe Steuerbelastung, die Bürokratie " und ganz groß auch die Probleme der Handwerker mit dem Bildungsniveau der Auszubildenden " machte Kreishandwerksmeister Roland Prokop am vergangenen Sonntag während des 18. Handwerkerfrühschoppens als " Dauerbrenner aller unserer Treffen " aus. Insbesondere zum Stichwort " Bildungsniveau " äußerten sich daraufhin zahlreiche Gäste des Frühschoppens.

Die Potenziale der Region wahrzunehmen und zu nutzen – dafür plädierte Innenminister Holger Hövelmann, der sich " ausdrücklich als Zerbster Einwohner und Bewohner dieser Region " zu Wort meldete. Die Probleme der Handwerker mit schlechten Schulabschlüssen ihrer Azubis seien bekannt, die Verärgerung nachvollziehbar. " Schüler sind zu schlecht vorbereitet auf die Ausbildung. Das ist eine wesentliche Aussage, von ihr hängen Lebens- und Berufsperspektiven unserer Jugend ab. Wir müssen also früher ansetzen als bei der Schule. In den Familien, im sozialen Netz der Kommune. " Zum anderen sei " Anhalt-Bitterfeld der Landkreis mit der größten Industriearbeitsplatzdichte in Sachsen-Anhalt. Dahinter steht ein beachtliches Potenzial an Möglichkeiten. Was also funktioniert nicht ? Fragen wir uns doch mal, was der Wähler vom Politiker und der Regierung erwartet, dann stellen wir fest : Er möchte alles auf einmal. Es gibt mittlerweile eine Vollkasko-Mentalität. Die hat uns hierher gebracht. " Der Minister wurde ungewohnt hemdsärmelig. " Viele kriegen den Hintern nicht mehr hoch, weil wir zwei Jahrzehnte lang gesagt haben, wir kümmern uns um seine Belange. So haben wir den Menschen ein Stück die Fähigkeit genommen, sich selbst zu kümmern. "

Bildungskonvent

Volksbank-Vorstand Albrecht Hatton erinnerte an die demografi sche Entwicklung. Vor Jahren gab es knapp zwei Drittel Schulabgänger mehr als jetzt, somit könne eine Auswahl kaum noch vorgenommen werden. Dies wiederum würde sich nicht fleißfördernd auf das Verhalten der Schüler auswirken, ließ er durchblicken.

Ronald Doege, SPD-Landtagsabgeordneter, aber auch Akener Stadtrat und Kreistagsmitglied, verwies auf die Landtags-Anstrengungen. " Wir mühen uns mit dem Bildungskonvent, ein parteiübergreifend akzeptiertes Konzept zu finden. Doch schon einen Minimal-Konsens zu fi nden ist sehr schwierig gewesen. " Es sei bei allen am Thema Bildung Beteiligten " noch mehr zu tun. Auch die Handwerker müssen etwas tun, um die Qualifi zierteren für sich zu gewinnen. Auch die Tätigkeiten nach der Ausbildung sollten besser bezahlt werden. " Die äußeren schulischen Bedingungen zu verbessern, somit zu besserem Unterricht beizutragen, soll aktuell ganz massiv durch die Mittel des Konjunkturpakets II erfolgen. " Das Land gibt seinen Teil dieses Geldes ganz maßgeblich in den Bereich Bildung ", so Doege. Zusätzlich bräuchten die Standortkommunen lediglich 12, 5 Prozent anteilig zu finanzieren, so dass eine Vielfalt an Projekten und eine breite Teilhabe der Kommunen im Land ermöglicht wurden.

" Zu Wahlkampfzeiten im Jahr 2007 habe ich erklärt, dass es aus meiner Sicht in ganz kurzer Zeit keine nennenswerte Jugendarbeitslosigkeit mehr geben wird. " Landrat Uwe Schulze ( CDU ) sieht seine Vorhersage bestätigt. " Und nun ? Jeder sucht Azubis. Alle Ausbildungsbetriebe qualifizieren ihre Leute, dass sie fi t sind für den Arbeitsmarkt. Das sind Notwendigkeiten, denen muss man sich stellen. " Der Landkreis habe nur ganz beschränkten Einfluss auf die schulische Bildung. " Wir stellen die Gebäude und die Kreide. Was drin passiert, ist nicht unser Gebiet. Aber dennoch haben wir eine Meinung. Ich finde, die Landespolitik sollte die Schulgesetze einfach mal eine Zeit lang in Ruhe lassen. Jede Regierung hat sich ständig daran ausprobiert, und das wirkt sich nicht gerade positiv aus. "

Geknebeltes Handwerk

Werner Vesterling, Präsident der Handwerkskammer Magdeburg, ging mit einem Beispiel auf die Bildungssituation ein. Das Handwerk sei vom Bildungsminister aufgefordert worden, sich an den Kosten eines Lehrstuhles für die Ausbildung von Lehrern zu beteiligen, damit diese ein besseres technisches Verständnis bekommen. " Wir haben Schulpflicht in Deutschland !", schimpfte der Handwerkspräsident, denn allein der Gesetzgeber ist für die Ausstattung von Schule zuständig, wenn er sie vorschreibt. " Natürlich werden wir uns an den Kosten beteiligen, denn wir tun alles, um den Bildungserfolg zu erhöhen. Grundsätzlich aber sind derartige Vorgänge der völlig falsche Weg. "

Gerald Grünert, Linke-Landtagsmitglied, erklärte, der Schülermarkt sei so eng, dass " sich das Handwerk verstärkt um sie bemühen muss ". In die Schulen zu gehen und regelrechte Patenschaften abzuschließen, die Schüler schon während ihrer Schulzeit an den Ausbildungsbetrieb zu binden und auf die berufl iche Ausbildung beim Handwerksmeister hier in der Region vorzubereiten, sei seine Empfehlung. In Zerbst solle wie anderenorts auch eine städtische Berufsschule entstehen mit den hier angesagten Handwerkerprofilen. " Das hab ‘ ich schon 2008 angeregt. "