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Zerbster lesen Kleingedrucktes nicht richtig / Nun Zweijahresverträge für zweifelhafte Leistung Durch Abzockerschreiben in Vertragsfalle

Von Karolin Aertel 26.10.2011, 06:22

Über 1000 Euro müssen Zerbster für einen Internet-Branchenbucheintrag bezahlen, weil sie dem amtlichen Anschein eines Schreibens der GWE vertrauten. Viele haben das Kleingedruckte nicht richtig gelesen.

Zerbst l Abzocke, Offertenschwindel, arglistige Täuschung - Mit diesen Stichworten werden die Machenschaften der so genannten Gewerbeauskunft-Zentrale beschrieben. Was klingt, als verberge sich eine Behörde hinter diesem Namen, ist ein Privatunternehmen, das auf unseröse Weise Internet-Brancheneinträge verkauft.

Bereits in den vergangenen Jahren sind zahlreiche Zerbster dem Unternehmen auf den Leim gegangen. Unter den Betroffenen sind Zerbster Gastronomen, Bauunternehmen, Vereine, sogar eine Kinderkrippe aus einem Nachbarort und ein Arzt.

Die Masche der GWE-Wirtschaftsinformations GmbH, die sich dahinter verbirgt: Gewerbetreibende und Freiberufler werden mit einem Formular angeschrieben, das den Anschein erwecken kann, es handele sich um einen kostenfreien Branchenbucheintag. Überschrieben mit dem amtlich wirkenden Titel "Gewerbeauskunft-Zentrale" wird suggeriert, es handele sich um ein behördliches Schreiben. Der Adressat wird darin aufgefordert, die in dem Formular fehlenden oder fehlerhaften Daten zu korrigieren und das Ganze unterschrieben zurückzusenden.

Der Teufel liegt im Kleingedruckten

In einigen der Schreiben wird fettgedruckt auf die kostenfreie Rückantwort per Fax hingewiesen. Doch die Folgen der Rückantwort sind alles andere als kostenfrei. Postwendend flattert eine Rechnung von mehr als 1000 Euro ins Haus.

Denn: Der Teufel verbirgt sich wie immer im Kleingedruckten. Dort steht sinngemäß und versteckt in einem Fließtext, dass mit Unterzeichnung und Rücksendung des Formulares ein kostenpflichtiger Vertrag mit einer Laufzeit von zwei Jahren zustande kommt. Für monatliche 39,85 Euro zuzüglich Umsatzsteuer bekommt man auf der Internetseite die Darstellung seiner Anschrift, Telefon- und Faxnummer nebst Darstellung von E-Mail und Internetadresse sowie die Anzeige in einem Routenplaner. Dieser Eintag in das "unbekannte" Branchenregister kostet mehr als 1000 Euro.

Zerbster schämen sich auf die Masche reingefallen zu sein

Auf die Masche reingefallen sind mittlerweile etliche Zerbster. Allein in der Stadt und im Umkreis von fünf Kilometern zeigt das GWE-Branchen-Register 22 Unternehmen, Freiberufler und Vereine an. Auf Volksstimme-Nachfrage erzählten zwar viele Betroffene ihre Geschichte und ihren Ärger mit GWE, öffentlich genannt werden wollte jedoch keiner. "Die denken doch sonst, ich bin blöd", schämte sich ein Geschäftsführer. "Eigentlich weiß ich, dass man gerade das Kleingedruckte besonders gut lesen muss", sagte eine Unternehmerin. Das Schreiben habe aber eben ausgesehen, wie vom Amt, versucht sie sich zu erklären.

Auf dem amtlichen Charakter des Schreibens ist auch der Inhaber eines Döner-Imbiss reingefallen. Der Gastronom mit Migrationshintergrund ist mit dem unterschriebenen Formular sogar zum Gewerbeamt gegangen, um es persönlich abzugeben. Diese nahmen es zwar zunächst entgegen, kurze Zeit später lag es jedoch wieder in seinem Briefkasten. Beim zweiten Anlauf schickte er das Schreiben nach Düsseldorf, wo die Firma GWE-Wirtschaftsinformations GmbH, die unter der Geschäftsführung eines Sebastian Cyperski steht, ansässig ist. Und siehe da: Binnen kürzester Zeit hatte er eine Rechnung von über 1000 Euro im Briefkasten. "Die habe ich bis heute nicht bezahlt", erzählt er. "Ich habe zwar sofort gekündigt, Mahnungen bekomme ich dennoch."

Zunächst nicht zu bezahlen, das rät auch Peter Solf, Mitglied der Geschäftsführung des Deutschen Schutzverbandes gegen Wirtschaftskriminalität (DSW). Dort liegen derzeit tausende Beschwerden über die GWE vor. Der DSW zog vor Gericht und erwirkte zunächst eine Unterlassungsklage, die noch nicht rechtskräftig ist, da GWE Berufung einlegte. Das Berufungsurteil wird im Februar erwartet. "Wir beanstanden die Aussendung der Schreiben wettbewerbsrechtlich unter dem Aspekt der Irreführung sowie der mangelnden Preistransparenz", erklärt Solf. Nach Auffassung des DSW würden die Betroffenen dadurch in die Irre geführt, dass das Formular amtlichen Charakter erweckt und die Tatsache, dass es sich lediglich um ein Angebot handelt, verschleiert wird. Außerdem ließe die blickfangmäßige Ausweisung eines Preises pro Monat die finanzielle Gesamtbelastung, 956,40 Euro (netto), zurücktreten.

Gerichte urteilen unterschiedlich

Wie mit der GWE umzugehen ist, darüber scheinen sich die Gerichte bis heute nicht einig zu sein. In einem Prozess am Amtsgericht (AG) Köln erwirkte GEW ein Trophäenurteil. Hier wurde ein Betroffener zur Zahlung verurteilt. In AG Düsseldorf hingegen wurde der Forderung nicht stattgegeben.

Gern hätte die Volksstimme auch eine Stellungnahme des GWE-Geschäftsführers Sebastian Cyperski zu seinem dubiosen Geschäftsmodell gehabt. Trotz mehrfacher Nachfrage lag diese zum Redaktionsschluss nicht vor.