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Vertreter bieten Verträge an Haustür an und geben vor, von der Stromversorgung Zerbst zu sein Unbekannte nutzen Ablesung für Abzocke

Von Judith Kadow 08.12.2011, 04:22

Die Umstellung der Ablesung der Stromversorgung Zerbst nutzen anscheinend Abzocker, um Zerbstern an der Haustür neue Stromverträge aufzuschwatzen. Eine Internet- und Telefon-Flatrate gibt es dann auch noch dazu.

Zerbst l Die Stromversorgung Zerbst stellt in diesem Jahr ihren Ablesungszeitraum um. War bisher das Stadtgebiet unter- und die Ablesung der einzelnen Gebiete aufs Jahr verteilt, sollen nun die jeweiligen Zählerstände im gesamten Stadtgebiet bis Ende des Jahres abgelesen sein.

Diesen Umstand scheinen Abzocker bereits seit mehreren Wochen zu nutzen, um Einwohnern direkt an der Haustür neue Stromverträge anzubieten.

"Uns sind mittlerweile mehrere Fälle bekannt, in denen anscheinend gezielt ältere Bewohner an der Haustür angesprochen wurden und werden", erklärt Jürgen Konratt, Geschäftsführer der Stromversorgung Zerbst. An sich ist dies rechtlich nicht strafbar, wenn auch in einer Grauzone anzusiedeln. Zwar ist die Stromversorgung Zerbst nicht verantwortlich für Werbungsversuche anderer Anbieter in Zerbst. Doch bei dieser Masche wird "ausdrücklich mit unserem Namen geworben", so Konratt. Schließlich habe man auch eine moralische Verantwortung.

An der Haustür wird ein Vertrag angeboten, auf dessen Kopfbogen mit dem Verteilnetzbetreiber "Stromversorgung Zerbst" geworben wird. Mehr noch: Die Vertreter stellen sich mit dem Hinweis vor, dass sie von der Stromversorgung Zerbst kämen. "Dabei haben wir damit nichts zu tun", betont Konratt. Dieser Verweis auf dem Vertrag sei lediglich rein technischer Natur. Darauf wiederum wird, sagen Betroffene übereinstimmend, nicht verwiesen. Für den Verbraucher bleibt die Annahme, das dies ein Vertrag über Leistungen der Stromversorgung Zerbst sei. Auch wird davon berichtet, dass die Vertreter nach Kontoauszügen fragen, um die Höhe des letzten Abschlages einsehen zu können. Damit erschleichen sie sich die Kontodaten der Betroffenen. Und das sind vor allem ältere Mitbürger. Geradezu gezielt scheinen die Abzocker die Straßenzüge durchzuarbeiten, in denen viele Senioren wohnen: Aus der Fuhrstraße, Breitestein, Wegeberg und anderen Straßen in Zerbst Nord sind Fälle bekannt.

Zusätzlich zum Stromvertrag ist mehreren Betroffenen auch eine Internet- und Telefonflatrate verkauft worden. "Allerdings sind unserer Auffassung nach die Verträge rechtlich in Ordnung", sagt Detlef Schrickel von der Stromversorgung Zerbst. Die Betroffenen unterschreiben eine ausführliche Belehrung, einen 24-Monatsvertrag durch den sie 100-prozentigen Ökostrom beziehen, die besagte Flatrate und den Verzicht auf ihr Widerspruchsrecht - insgesamt machten das bis zu sechs Unterschriften. "Geworben wird mit sehr günstigem Strom, aber mit der Unterschrift legen sie sich auf Ökostrom fest. Das Teuerste, was es gibt", fügt Schrickel hinzu.

Grundsätzlich seien die Vertreter anderer Stromanbieter im Zerbster Stadtgebiet seriös, auch wenn sie ebenfalls an der Haustür klingeln. "Aber ein seriöser Berater gibt Zeit zum Nachdenken und kommt drei Tage später noch mal vorbei", rät Jürgen Konratt.

Die Masche scheint erfolgversprechend. "Seit Anfang Oktober haben wir immer wieder einzelne Meldungen über diese Vertragsabschlüsse erhalten", merkt Detlef Schrickel an. Er verweist aber auch darauf, dass das gesetzlich verankerte Widerspruchsrecht mit einer Frist von 14 Tagen nach Vertragsunterzeichnung dennoch gültig bleibt.

Anke Strobel, Pressesprecherin des Polizeireviers Anhalt-Bitterfeld, rät, keine Verträge an der Haustür abzuschließen. "Grundsätzlich muss man sich bewusst machen, dass die Unterschrift bedeutet, den Vertrag abzuschließen. Deshalb sollten niemals Dinge zwischen Tür und Angel unterschrieben werden. Man sollte sich Zeit erbitten und die Dinge in Ruhe durchlesen", fügt Strobel hinzu. Noch wirkungsvoller ist es jedoch, sich den Ausweis des Ablesers zeigen zu lassen. "Wenn keiner vorgezeigt wird, sollte man skeptisch sein und die Finger davon lassen."

Über solch einen Ausweis verfügt auch der Ableser der Stromversorgung Zerbst. "Aber er bietet keine Verträge an, fragt nicht nach Kontodaten. Er stellt lediglich die Zählerstände fest", betont Konratt.

Ohnehin sei die derzeit laufende Umstellung der Ablesungszeiträume für die Kunden der Stromversorgung Zerbst zum einen kostenfrei. Zum anderen tritt der Ableser nur dort auf, wo die Mieter schwer oder gar nicht die Zählerstände ablesen können. "Wer bisher nicht selbst die Stände ablesen musste, muss das jetzt auch nicht. Wir regeln das mit den großen Eigentümern, so dass der Mieter gar nicht in Kontakt mit dem Ableser gerät."

Sinn der Umstellung ist, die Abrechnung kalenderjahr- identisch vornehmen zu können. Entsprechend wurden an die betroffenen Haushalte zuvor Ablesekarten verschickt, auf denen die abgelesenen Zählerstände zu notieren sind.