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  7. Züge sollen künftig nicht mehr in Jütrichau halten

Bahn AG baut Strecke aus / Gleisposition ändert sich / Bahnsteige werden nicht neu errichtet Züge sollen künftig nicht mehr in Jütrichau halten

Von Thomas Drechsel und Judith Kadow 21.03.2012, 03:08

Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2012 wird Jütrichau vom Bahnverkehr ausgeschlossen. Der Haltepunkt lohnt sich nicht. Der Bahnsteig verschwindet ersatzlos, wenn die Gleise zwischen Güterglück und Roßlau neu verlegt werden.

Jütrichau/Magdeburg l Der Haltepunkt Jütrichau ist auf dem Fahrplan der Bahn ab Dezember nicht mehr zu finden. Wie Wolfgang Ball, Pressesprecher der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH, auf Volksstimme-Nachfrage erklärte, sei die schwache Nachfrage des Beförderungsangebotes der Bahn AG hierbei ausschlaggebend gewesen. Wir wägen gerade bei solchen Entscheidungen das Für und Wider sorgfältig ab, und Jütrichau ist ein spezieller Fall", so Ball.

Auslöser der Überlegungen ist demnach die Modernisierung des Eisenbahnknotens Dessau-Roßlau. Dies strahlt bis hinter Güterglück aus. So wird die künftig auch in Zerbst lediglich zweispurige Strecke nach einem neuen Spurplan ausgebaut. "Für Jütrichau stand die Frage, einen Bahnsteig neu zu errichten oder ihn wegzulassen. Die Gleise jedenfalls werden nicht mehr genau dort verlaufen, wo sie liegen." Vorsorglich war der Bahnsteig Jütrichau in ersten Planungen auch in die Kalkulation einbezogen. "Aber natürlich haben wir die Sinnhaftigkeit der Investitionen zu hinterfragen." Die Eisenbahn sei "ein Massenverkehrsmittel", betonte Ball. Man rechne bei Haltepunkten üblicherweise mit Ein- und Ausstiegen im dreistelligen Bereich pro Werktag. Auf sachsen-anhaltische Verhältnisse heruntergebrochen, müssten wenigstens 30 bis 50 Fahrgäste pro Tag an einem Haltepunkt ein- oder aussteigen, um dessen Existenz zu rechtfertigen. "In Jütrichau wird diese Zahl nicht erreicht. Wir haben zwischen zehn und 25 Ein- und Aussteigende pro Werktag registriert."

Auch die Entwicklungsprognose für den Ort und die Region gebe, so Ball, keinen Anlass, auf stärkeres Fahrgastaufkommen in der Zukunft zu bauen. Weder ein Schulneubau noch wesentliche Industrieansiedlungen seien absehbar. "Aus alldem kam man zu dem Schluss, dass der Fortbestand des Haltepunktes nicht zu rechtfertigen sei. Natürlich ist das für die Betroffenen ein Einschnitt. Wir machen das nicht gern."

Voraussichtlich im Herbst sollen die Arbeiten an den Gleisen beginnen. Daher ist der Haltepunkt auch bereits ab Dezember nicht mehr vorgesehen. "Verzögern sich die Bauarbeiten, wird der Zug noch halten", so Ball.

Alternative zur Bahn sei, so Ball, der öffentliche Personennahverkehr per Bus. In Anhalt-Bitterfeld gebe es ein "nach meinen Informationen gut funktionierendes Rufbussystem". Allerdings bewege sich dieses System auf konzessionierten Linien innerhalb des Landkreises. Der Rufbus würde also ohne weiteres nicht von Jütrichau nach Roßlau fahren können. "Entweder man begibt sich nach Zerbst, um dort die Bahn zu erreichen, oder es gelingt dem Landkreis in Zusammenarbeit mit dem ÖPNV-Unternehmen, doch kreisgrenzenüberschreitenden öffentlichen Nahverkehr einzurichten", so Ball. Die mit dem Rufbussystem einhergehende Fälligkeit in einem Euro zusätzlich pro Fahrt betrübt den Nasa-Sprecher. "Das ist dann bedauerlicherweise so. Wir werden das jedoch im Auge behalten."

Die Strecke soll für Geschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern ertüchtigt werden. Fällt Jütrichau als Haltepunkt weg, können Züge zwischen Zerbst und Rodleben ordentlich Fahrt aufnehmen. Steigt künftig in Jütrichau der Lärmpegel? Ball: "Dazu gibt es Untersuchungen der Bahn. Ich kann dazu nichts konkretes sagen." Allerdings verändere sich der Lärmpegel nicht proportional zur Geschwindigkeit des verursachenden Fahrzeuges, meint er. "Da können Anhaltegeräusche als lauter empfunden werden als ein durchrollender Zug."

Der Haltepunkt Jütrichau war am Montagabend auch Thema im Haupt- und Finanzausschuss des Stadtrates. Wilfried Bustro (CDU): "Ich bin darauf angesprochen worden, ob er gefährdet ist und wie die Verwaltung helfen könnte, ihn zu erhalten." Bernd Köhler, Leiter Bauverwaltung/Tiefbau, antwortete, dass die Verwaltung eine Schließung abgelehnt habe. Rathaussprecher Jan Hädrich informierte gestern, dass die Resultate des Anhörungsverfahrens vom August 2011 der Stadt seit einer Woche vorliegen. Nunmehr prüfe die Stadt, ob und mit welchen Mitteln gegen den hier dargestellen Haltepunkt-Abbau vorgegangen werden könne.