1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. "Wir hatten Angst vor der Begegnung mit den Eltern"

Magdeburger THW-Zugführer nach tödlichem Boots-Unfall "Wir hatten Angst vor der Begegnung mit den Eltern"

06.03.2014, 01:23

Magdeburg I Kommende Woche will die Staatsanwaltschaft Magdeburg die Ermittlungsergebnisse zum THW-Unfall präsentieren. Bei einer Übung waren im November vergangenen Jahres zwei junge THW-Helferinnen auf der Elbe verunglückt. Rainer Schweingel und Alexander Dinger sprachen mit dem Zugführer des THW Magdeburg, Falk Lepie.

Volksstimme: Was hat sich für das THW Magdeburg seit dem tragischen Unglück verändert?

Falk Lepie: Der Zusammenhalt in unserem Ortsverband ist enorm. Dieser tragische Unfall hat uns noch mehr zusammengeschweißt. Vergangenen Sonnabend waren wir das erste Mal wieder auf dem Wasser und sind auch an der Unglücksstelle vorbeigefahren. Das war ein sehr bewegender Moment für uns alle.

Volksstimme: Noch laufen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Was erwarten Sie?

Falk Lepie: Alle Beteiligten wurden befragt. Die Technik wurde genau untersucht. Ich kann nur sagen, dass die Technik auf dem neuesten Stand war, alle Helferinnen und Helfer die nötige Ausbildung hatten. Bei dem gekenterten Boot handelte es sich um ein Boot in Katamaran-Bauweise, die extra dafür ausgelegt sind, Lasten von über einer Tonne tragen zu können. Diese Bootstypen wurden unter anderem in der Ostsee unter widrigsten Bedingungen getestet und werden seit Jahren beim THW eingesetzt. Dass es trotzdem passiert ist, ist eine Verkettung sehr unglücklicher Umstände.

Volksstimme: Stehen Sie in Kontakt mit den Eltern der beiden verunglückten THW-Helferinnen Jessica und Cora?

Falk Lepie: Ja, wir stehen in Kontakt. Das THW hat nach dem Unfall all seine Möglichkeiten genutzt, um den Eltern zur Seite zu stehen.

Volksstimme: Mit was für Gefühlen sind Sie zu dem Treffen gegangen?

Falk Lepie: Wir hatten Angst vor dieser Begegnung. Unsere Gedanken sind auch bei den Familien, die so unfassbares Leid erfahren mussten. Wir wurden von psychologischen Fachkräften bei diesen Gesprächen unterstützt. Aber Schuld war in den Gesprächen mit den Eltern nie ein Thema. Jessica und Cora waren ein fester Bestandteil des THW. Sie haben die Aufgabe geliebt und ihre Freizeit geopfert, um anderen zu helfen. In gewisser Weise hat es Trost gespendet, dass das Letzte, was sie getan haben, etwas war, was beide gern gemacht haben.

Volksstimme: Der THW Ortsverband Rüsselsheim hat eines seiner Boote Cora getauft. Werden Sie eines Ihrer Boote Jessica nennen?

Falk Lepie: Es wird ein neues Boot in Magdeburg bereitgestellt und es wird dann auch eine Taufe mit dem Namen geben. Wir werden auch in den nächsten Tagen eine große metallene Gedenktafel in Rüsselsheim und in Magdeburg mit den beiden Fotos von Jessica und Cora aufstellen.

Volksstimme: Wie waren die Reaktionen aus der Bevölkerung in der Zeit nach dem Unfall?

Falk Lepie: Der Zuspruch aus der Bevölkerung war überwältigend. Wir haben kistenweise Post bekommen. Darunter waren sogar Briefe aus den USA und aus dem Iran. Viele Hilfsangebote, vor allem aus Magdeburg und Umgebung, haben uns erreicht, die wir auch genutzt haben.

Volksstimme: Haben sich auch Freiwillige gemeldet, die beim THW ehrenamtlich helfen möchten?

Falk Lepie: In diesem Jahr haben sich zwei junge Männer gemeldet. Wir freuen uns, dass alle Helferinnen und Helfer im Ortsverband bei uns geblieben sind und wir sind auch über neue ehrenamtliche Unterstützung sehr froh. Wir brauchen zudem Leute, die in unserer Verwaltung mithelfen würden. Da denkt man natürlich nicht in erster Linie dran, wenn man den Namen THW hört. Aber das ist ein Bereich, in dem wir leider unterbesetzt sind.

Volksstimme: Wie sah es 2013 mit der Spendenbereitschaft der Magdeburger aus?

Falk Lepie: Allein an Geld hat der Förderverein mehr als 60 000 Euro bekommen und noch einmal 20 000 Euro an Sachspenden. Das ist enorm und wir haben uns sehr gefreut. Wenn man bedenkt, dass es auch schon Jahre gab, in denen wir gar keine Spenden bekommen haben. Das hängt sicherlich mit dem Hochwasser zusammen. Hohe Spenden hatte der THW Förderverein auch nach dem Hochwasser 2002 erhalten. Die Spendengelder sind bereits verplant und werden für dringende Reparaturen und Neuanschaffungen verwendet.