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Streit im Ausschuss Flüchtlinge versus Eigenheime

In der Nähe der Gieselerhalle soll eine Containeranlage für 200
Asylsbewerber entstehen. Im Verwaltungsausschuss kritisierte
Grünen-Stadtrat Jürgen Canehl das Vorhaben, weil in der Nähe ein
Wohngebiet entstehen soll - für das er mit seiner Firma den
Bebauungsplan erstellt hat.

18.02.2015, 02:25

Magdeburg l Exklusiv hatte die Volksstimme in der vergangenen Woche über die Containerpläne der Stadtverwaltung an der Hermann-Gieseler-Halle berichtet. Bis zu 200 Personen sollen in der Anlage Platz finden. Diskutiert wurden die Pläne in einer Sitzung des Verwaltungsausschusses am 23. Januar.

Gegen die Container-Pläne stemmen sich vor allem die Grünen. In den kommenden Stadtrat bringen sie einen Antrag ein, der die Errichtung der Container in Stadtfeld-Ost verhindern soll. Die Grünen lehnen diese Art der Unterbringung grundsätzlich ab.

Rückblick: Der Verwaltungsausschuss tagt. Er ist eines der wichtigsten Gremien nach dem Stadtrat. Dringlichstes Thema: die steigende Zahl von Asylbewerbern in der Stadt. Plötzlich bringt OB Trümper den Vorschlag zur Unterbringung von 200 Asylbewerbern an der Gieselerhalle ein. Die CDU signalisiert Zustimmung, ebenso die SPD. Die Linke forderte Besichtigungen verschiedener Unterkünfte.

Als Kritiker der Anlage meldet sich zuerst der Grünen-Stadtrat aus Stadtfeld-Ost, Jürgen Canehl. Im Ausschuss (Protokoll liegt vor) äußert er seine Enttäuschung über das Projekt und verweist auf die geplante Wohnbebauung und dass eine Unterbringung von Asylbewerbern in unmittelbarer Nähe "Auswirkungen" auf dieses Projekt habe.

Nach dem Redebeitrag kommt es zum Wortgefecht mit Oberbürgermeister Lutz Trümper und dem Fraktionsvorsitzenden der Linken, Frank Theile. Trümper wirft Canehl Befangenheit vor, da er als Geschäftsführer des Planungsbüros Lindner Canehl auch den Bebauungsplan für das künftige Wohngebiet erstellt habe. "Das ist eine Ungeheuerlichkeit, wie Stadtrat Canehl sich im Verwaltungsausschuss verhalten hat", sagte Trümper der Volksstimme. Dieses wirtschaftliche Interesse passe nicht zu einer gern zur Schau getragenen "grünen Diktion".

Gegenüber der Volksstimme bestätigte Canehl, dass sein Planungsbüro den Bebauungsplan (Kosten ca. 14 000 Euro) für das Gelände an der Wilhelm-Kobelt-Straße erstellt habe. Private Investoren wollen auf dem Gelände 44 Baugrundstücke vermarkten. Ob das Planungsbüro von Canehl auch dort tätig sein wird, steht noch nicht fest. "Es kann aber sein", so Canehl.

Gegenüber der Volksstimme wies er den Vorwurf von Trümper, bei der Ablehnung der Containeranlage wirtschaftliche Interessen zu verfolgen, klar von sich. Zugleich verwies er darauf, den Verwaltungsausschuss nach dem Wortgefecht auch verlassen zu haben. "Der Standort Gieselerhalle passt aber nicht. Container wären ein Provisorium und viel zu teuer. Als GWA-Sprecher setze ich mich für einen anderen Standort für eine Unterkunft in Stadtfeld-Ost ein", so Canehl.

Der Fall Canehl dürfte indes vor allem den Magdeburger Grünen schaden. Seit Jahren ist die Asyl- und Flüchtlingspolitik eines der wichtigsten Themen für die Partei. So kämpfen die Grünen etwa für eine zentrumsnahe Unterbringung von Flüchtlingen und gegen eine Containerlösung. "Wenn der Oberbürgermeister jetzt behauptet, unser Einsatz gegen die von ihm gewünschte Containerlösung hätte andere Motive, ist das schlicht unredlich", sagte der Grünen-Stadtrat und Landtagsabgeordnete Olaf Meister.

Distanziert zu Canehl äußerte sich Stadtratskollege und Grünen-Landtagsabgeordneter Sören Herbst "Er ist befangen. Er darf dazu gar nichts sagen", sagte er der Volksstimme.