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Bürgerverein und Architektenbüro schreiben offenen Brief an Oberbürgermeister und alle Ratsfraktionen "Lesezeichen": Salbker sehen sich im Kampf gegen Chaoten alleingelassen

Von Matthias Fricke 01.07.2011, 06:26

Der Bürgerverein Salbke und die Architekten des "Lesezeichens" haben die Nase von den permanenten Zerstörungen an der offenen Bürgerbibliothek gestrichen voll. In einem offenen Brief an den Oberbürgermeister und die Stadtratsfraktionen bemängeln die Salbker die ungenügende Hilfe und das fehlende Engagement der Stadt. Der Verein hat zwischenzeitlich sogar schon einen privaten Sicherheitsdienst engagiert, um Herr der Lage zu werden.

Salbke. Es könnte alles so schön sein. Lesen unter freiem Himmel an einem preisgekrönten Stadtteiltreffpunkt. Die Bücher gibt es kostenlos zum Ausleihen in kleinen Fenstern. Im Deutschen Architekturmuseum wird das "Lesezeichen" am Salbker Engpass sogar als bester öffentlicher Raum Europas gefeiert.

Nur die Realität sieht ganz anders aus: Graffiti-Schmierereien, zerkratzte Wände und Scheiben und auf dem Boden zerstreute Bücher zeugen von blanker Zerstörungswut. Zwar engagieren sich die Salbker Bürger weiterhin für den Treff und räumen alles wieder auf, selbst die Jugendlichen packten beim großen Aufräumen im Frühjahr mit an. Das "Lesezeichen" hat aber dennoch seinen Glanz verloren. Einen Monat lang engagierten die Vereinsmitglieder sogar einen privaten Sicherheitsdienst, um an den Wochenenden herumlungernden Jugendlichen Platzverweise auszusprechen. Doch auch das brachte ebenso wenig Erfolg wie mehrere Gespräche mit dem zuständigen Kontaktbeamten der Polizei.

Stinksauer schrieben deshalb die Mitglieder des Bürgervereins Salbke in dieser Woche einen offenen Brief an Oberbürgermeister Lutz Trümper, seinen Beigeordneten Dieter Scheidemann und die Stadtratsfraktionen. Darin heißt es unter anderem: "... Sie schauen seit Monaten tatenlos zu, wie eine kleine Gruppe von Chaoten den Verdienst der engagierten Bürger von Salbke in Trümmer legt. Wir haben Sie schon vor Monaten darüber in Kenntnis gesetzt, dass an den Wochenenden bis zu vierzig schwer alkoholisierte Jugendliche und Heranwachsende aus verschiedenen Stadtteilen den kleinen Leseplatz in eine No-Go-Area verwandeln, in die sich nicht einmal mehr die direkten Anwohner trauen, um die Störenfriede zur Ordnung zu rufen. Es wird randaliert, das Objekt wird demoliert, beschmiert, Bücher werden zerrissen und säckeweise Müll hinterlassen, die dann von den Bürgern entsorgt werden und nicht von Ihren Ämtern, die den Unterhalt des Objektes vertraglich zugesichert haben! - Es gleicht einer Farce, wenn Sie (der Oberbürgermeister d. Red.) in Ihrem Brief, datiert vom 10. Mai 2011 schreiben, ,ich (...) versichere Ihnen ein funktionierendes und gutes Zusammenspiel unserer Ämter und der Polizei.\' Auch heute, mehr als sechs Wochen nach dem Schreiben ist das Objekt unverändert in einem erbärmlichen Zustand. Dies liegt unter anderem auch an der mangelhaften Unterhaltung. Die Rasenpflege und die Leerung der Mülleimer erfolgt in einem Turnus, der bei weitem nicht der Nutzungsintensität des Objekts entspricht. All diese latenten und hausgemachten Faktoren der Verwahrlosung laden gewaltbereite Personen geradezu dazu ein, Vandalismus zu begehen."

Rainer Mann vom Bürgerverein Salbke: "Wir wollen vor allem erreichen, dass die Stadt ihre Aufgabe als Eigentümer wahrnimmt und für eine Reinigung und Wiederherstellung der zerstörten Bauteile sorgt. Die Pflege und Unterhaltung muss intensiviert werde, um die Hemmschwelle für Zerstörungen höher zu setzen." Außerdem soll das Objekt als gesamtstädtische Bildungs- und Kultureinrichtung anerkannt und für Veranstaltungen besser genutzt werden.

Zu dem offenen Brief des Bürgervereins wollte Oberbürgermeister Lutz Trümper gestern vorerst keine Stellung nehmen. Wie Stadtsprecherin Cornelia Poenicke mitteilte, hat der OB seine zuständigen Beigeordneten "mit einer umfassenden Prüfung der Sachverhalte beauftragt". Da es sich um eine rechtlich komplizierte Angelegenheit handele, werde diese Prüfung einige Tage dauern. Das Thema soll auf der nächsten Dienstagberatung in der kommenden Woche besprochen werden.