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  7. Moderne Piraterie oder Künstler-Schutz? Neue GEMA-Tarife bedrohen Veranstalter

Magdeburger Veranstalter befürchten Aus für viele Diskotheken, Stadtfeste und Clubs Moderne Piraterie oder Künstler-Schutz? Neue GEMA-Tarife bedrohen Veranstalter

Von Robert Richter 30.05.2012, 05:30

Ein Aufschrei geht auch in Magdeburg durch die Szene der Musikveranstalter und Tanzclubs. Droht mit einem angekündigten neuen Tarifsystem der Musikrechteverwertungsgesellschaft GEMA ab 2013 das große Diskothekensterben und der Verlust musikalischer Vielfalt?

Magdeburg l Die Kommentare von Magdeburger Veranstaltern zum neuen Tarifwerk der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) schwanken zwischen Ratlosigkeit und Wut und reichen bis hin zum Vorwurf "moderner Piraterie". Auch hiesige Clubbetreiber rufen dazu auf, im Internet eine Online-Petition zu unterstützen. Damit werden deutschlandweit Stimmen gesammelt, um diese im Petitionsausschuss des Bundestages einzureichen.

Worum geht es bei dem Streit? Wer öffentlich Musik aufführt, muss in Deutschland an die GEMA Lizenzgebühren bezahlen. Das derzeitige Dickicht einer Vielzahl von Tarifen will die GEMA, die für Komponisten, Autoren und Musikverleger die Urheberrechte vertritt, lichten. Ab dem kommenden Jahr soll es nur noch zwei Tarife geben.

Eine deutliche Vereinfachung, findet GEMA-Vorstandsmitglied Georg Oeller. Auch werde es künftig gerechter zugehen. Denn durch die künftige Orientierung an Größe des Veranstaltungsortes und Höhe des Eintrittsgeldes würden kleinere Veranstalter entlastet, während größere mehr zahlen müssten.

Die Diskothekenbetreiber rechnen mit Gebührensteigerungen von 25 bis zu 534 Prozent. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) und die Bundesvereinigung der Musikveranstalter warnen vor teuren Tänzen: "Offensichtlich will die GEMA ihre Einnahmen auf Kosten der Musikveranstalter erheblich steigern", sagt Ernst Fischer, Vorsitzender beider Vereinigungen.

Stephan Büttner, Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Discotheken und Tanzbetriebe, warnt: "Die neuen Tarife sind für Tausende Clubs und Diskotheken definitiv existenzgefährdend. Sollte diese Reform tatsächlich umgesetzt werden, ist eine Verarmung der Veranstaltungskultur in Deutschland zu befürchten."

"Wir regen zur Unterzeichnung der Online-Petition an", sagt deshalb Hendrik Grebe vom Magdeburger Tanzclub "First" in der Buttergasse und begründet: "Wir müssten pro Abend knapp 500 Prozent mehr an die GEMA zahlen - und dann macht das Ganze eben keinen Sinn mehr."

Prinzzclub-Inhaber Guido Schwirzke kritisiert: "Die geplanten Tarifänderungen sollen auch zum Wegfall von Nachlässen führen, die es bisher zum Beispiel beim Abschluss eines Jahrespauschalvertrages gab.

Dazu kommen weitere Zuschläge. Denn die GEMA-Gebühren erhöhen sich um weitere 50 Prozent, wenn Musik länger als fünf Stunden gespielt wird.

Das ist ein wesentlicher Punkt, schließlich laufen ja alle Tanzveranstaltungen in der Regel länger als fünf Stunden." Schwirzke attackiert die GEMA scharf: "Diese staatlich anerkannte Institution hat es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, die Veranstaltungsindustrie auszurotten."

Paul Gerhard Stieger, Mitgeschäftsführer der Magdeburg Events GmbH (Altes Theater, Strandbar, Montego Beachclub), schlägt moderate Töne an: "Dass die GEMA Gebühren einzieht, um die Künstler für ihre Leistung zu bezahlen, ist grundsätzlich richtig. Wir haben bisher auch nie darüber gemurrt."

Bis auf erwartete Teuerungen durch die Fünf-Stunden-Klausel macht Stieger sich um Tanzabende im Alten Theater, wie die Ü30-Party (Eintritt sieben Euro), keine allzu großen Sorgen. "Bei höherwertigen Veranstaltungen, wie kürzlich unsere ,Dancing Highlights\' im Maritim-Hotel (Karten ab 69 Euro, Anm. d. Red.), wird die GEMA hingegen künftig wohl exorbitant teurer. Da wird es dann schon problematisch, solche Events überhaupt anzubieten", erklärt Stieger.

Eine abwartende Haltung nimmt Jens Burkart, Chef der Brasserie Le Frog im Stadtpark, ein. "Wir müssen das durchrechnen. Veranstaltungen wie den ,Musikgarten\' am Sonntag, die wir zur Belebung des Stadtparks anbieten, müssten wir gegebenenfalls auf den Prüfstand stellen."

Die GEMA hingegen betont, die linearen Tarife stünden "in Einklang mit der Forderung der Schiedsstelle des deutschen Patent- und Markenamts, dass die Vergütung der Urheber bei zehn Prozent des geldwerten Vorteils einer Veranstaltung liegen sollte." Dem komme die GEMA nun nach. Die Gesellschaft strebt nunmehr eine "baldige Einigung mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter e.V. durch ein geordnetes Schiedsstellenverfahren an", teilt die GEMA mit.

Nadja Gröschner vom Sudenburger Kulturzentrum Feuerwache, betrieben vom Verein Podium Aller Kleinen Künste, ist nicht gut auf die GEMA zu sprechen: "Die GEMA ist schon immer ein Problem." Gröschner ärgert sich aber über scheinbar willkürliche Forderungen: "Die GEMA bestimmt letztendlich selbst, ob es sich um Kleinkunst oder ein Unterhaltungskonzert handelt. So ist es uns neulich passiert, dass wir für die Wollners in einem Monat 60 Euro GEMA und im anderen Monat 200 Euro zahlen mussten", berichtet Gröschner. Sie nennt ein weiteres Beispiel: "Für eine Bormann-Modenschau, wo gerade einmal fünf Titel angespielt werden, sollen wir 250 Euro zahlen. Bei Tanzveranstaltungen müssen wir hingegen bisher unabhängig von den Besucherzahlen ,nur\' ca. 200 Euro bezahlen."

Und die Chefin der Feuerwache hat noch ein anderes Problem mit der GEMA: "Sie generiert sich als Beschützerin der Musikrechte der Künstlerinnen und Künstler, aber mir hat neulich eine Künstlerin gesagt, dass sie für ein Konzert, auf dem sie eigene Texte und Musik spielt, ca. 10 Euro von der GEMA nachträglich bekommt. Wir als Veranstalter haben aber zum Beispiel 180 Euro gezahlt. Da sehr viele Künstler gar nicht ihre Musikfolgen abgeben, fließt oft die gesamte Summe in das Säckl der GEMA." Das Fazit von Nadja Gröschner: "Das Geschäftsgebahren der GEMA hat für uns schon einen Anstrich von moderner Piraterie."

Wie in ganz Deutschland schauen auch in Magdeburg die Veranstalter und Nachtschwärmer gespannt auf das Schiedsverfahren. Die Verhandlungen dürften zum "heißen Tanz" werden.