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Freiwillige folgen Hilferufen an Elbe und Saale / Einsatzleiter kritisiert Massenaufrufe im Internet Phänomen Facebook - Fluthelfer organisieren sich im Internet

Von Elisa Sowieja 08.06.2013, 03:18

Schönebeck/Magdeburg l Es ist 9.53 Uhr, als der Schönebecker Steffen Behm gestern einen Aufruf bei Facebook startet: "Zwischen Elbenau und Ranies werden für eine Deicherhöhung dringend Helfer gesucht." Nur eine Minute später fragt die Erste nach dem genauen Standort. Um 10.40 Uhr kündigt jemand an: "Auf dem Weg."

Wie sich Fluthelfer in diesen Tagen über das soziale Internet-Netztwerk organisieren, ist ein Phänomen. Auf ihrer Pinnwand berichten Menschen an Elbe und Saale, wo helfende Hände am dringendsten gebraucht werden. Sie tauschen sich darüber aus, wer wen wo abholen kann, wie man an Sandsäcke kommt, welche Straße zuletzt überflutet wurde. Zunächst sehen die Einträge zwar nur die Facebook-Nutzer in der eigenen Freundesliste. Doch diese können mit einem Klick die Texte auch auf ihrer Pinnwand anzeigen lassen. Durch dieses Schneeballprinzip erreichen Hilfesuchende und Helfer in kurzer Zeit oft hunderte Menschen.

Spontane Hilfsbekundungen, die unter die Einträge geschrieben werden, sind häufig nicht nur leere Versprechungen, berichtet Behm. Der 29-Jährige schreibt auf Facebook unter seinem eigenen Namen und zusammen mit einem Bekannten auch unter "Schönebeck (Elbe)". "Am Dienstag haben wir um Unterstützung beim Sandsackfüllen auf dem Busbahnhof gebeten. Es kamen prompt 20 Helfer", erzählt er.

"Nach unserem Aufruf kamen prompt 20 Helfer zum Sandsackfüllen."

Steffen Behm, Facebook-Nutzer

Doch wieso ist Facebook bei der Organisation von Fluthelfern so beliebt? Prof. Dr. Ilona Wuschig, Kommunikations- und Sozialwissenschaftlerin an der Hochschule Magdeburg-Stendal, hat mehrere Erklärungen parat: "Dank der Smartphones ist es heute möglich, Facebook auch von unterwegs zu nutzen - wenn man etwa schon auf dem Weg zum Deich ist. Das bietet sich auch deshalb an, weil die Bedienung sehr einfach geworden ist", erklärt sie. Zudem seien mittlerweile viele Über-50-Jährige angemeldet - in dem Netzwerk tummeln sich also nicht nur junge Menschen, die helfen wollen. Prof. Dr. Andreas Fahr, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Erfurt, kennt noch einen weiteren Grund: "Facebook ist zeitsparend und kostengünstig."

Dass Facebook nicht nur Segen, sondern auch Fluch sein kann, wurde dieser Tage im Büro der Technischen Einsatzleitung (TEL) in Groß Rosenburg im Salzlandkreis deutlich. Ein Unbekannter hatte gepostet, dass Hilfe im Bereich südlich der Saale benötigt werde.

"Die Leute sollen aufhören, ihren eigenen Krisenstab zu organisieren."

Tino Puder, Einsatzstellenleiter

Daraufhin erklärten sich rund 100 Helfer aus dem Hallenser Raum bereit und machten sich auf den Weg in das beschauliche Rosenburg. Dort aber war man mit dem Ansturm solcher Menge an Freiwilligen völlig überfordert. "Facebook ist der größte Mist, den es gibt. Die Leute sollen aufhören, hier ihren eigenen Krisenstab zu organisieren und dies den Leuten überlassen, die wirklich davon was verstehen", moniert Tino Puder, Leiter der Einsatzstelle in Groß Rosenburg.

Er bat daraufhin die Volksstimme um Hilfe: Über die Internetseite der Zeitung wurde Sekunden später über den Hochwasser-Ticker gemeldet, dass die Helfer umgehend nach Schönebeck weiterfahren sollten.