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Mitarbeiter und Studenten der Magdeburger Uni hoffen auf Heimkehr ihres Physik-Institutsleiters. Verschollen: Professor allein in der US-Wildnis

Von Matthias Fricke und Elisa Sowieja 08.10.2013, 01:18

Magdeburg l Seit Dienstag vergangener Woche wird in den San Bernadino Mountains im Westen der USA der Magdeburger Uni-Professor Alois Krost vermisst. Er verschwand bei einer Wanderung am Rande einer wissenschaftlichen Tagung. Zu Hause hoffen alle auf ein Lebenszeichen.

Es sind die letzten Stunden an jenem Dienstagnachmittag vergangener Woche, an dem Alois Krost gesehen wird: Als Gast einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz im kalifornischen Lake Arrowhead östlich von Los Angeles zieht sich der Vater von vier Kindern im Kongresszentrum sein langärmeliges Shirt, eine Jeans und leichte Schuhe an. Er macht sich wanderfertig. Eine Wasserflasche hat er auch dabei.

Die angekündigte Exkursion an diesem tagungsfreien Nachmittag ist schließlich geführt und soll auf einem ganz normalen Wanderweg stattfinden. 20 seiner Kollegen hatten sich neben ihm ebenfalls zu der Exkursion in die Bergregion nördlich des Lake Arrowhead eingetragen. Das Konferenzzentrum der Uni selbst befindet sich mitten in dem beliebten Urlaubsort.

Doch der Bergwanderweg hat es in sich. "Er ist anspruchsvoll, aber auch nicht außergewöhnlich gefährlich", weiß der Magdeburger Prorektor für Haushalt und Planung Jürgen Christen. Er ist langjähriger Weggefährte von Alois Krost und mit ihm seit Jahrzehnten befreundet. Für die Magdeburger Uni hält er seit der Nacht zum Mittwoch Kontakt mit einem Kollegen vor Ort.

Die Technische Uni Berlin hatte mit der Uni Los Angeles zur gemeinsamen Konferenz auf den Außencampus Lake Arrowhead eingeladen.

Es ist gegen 16 Uhr, als sich einer der zwei Wanderführer am Schluss der Gruppe mit dem Professor zurückfallen lässt. Beide machen eine Pause. Nach Aussagen des Bergführers habe er anschließend den Professor schon mal voraus zur Gruppe geschickt. Er selbst wollte kurze Zeit später hinterherkommen. Doch als er wieder den Anschluss zur Gruppe findet, ist der Physiker verschollen.

Kurze Zeit später geht der Notruf bei der örtlichen Polizei ein. Umgehend wird eine Suchmannschaft zusammengestellt, die bereits kurze Zeit später die ganze Nacht hindurch ihre Arbeit aufnimmt.

Peter Surowski von einem lokalen Internet-Blog des Arrowhead-Lake berichtet am 3. Oktober auf seiner Seite über den Vorfall des "vermissten deutschen Wanderers" und zitiert Sheriff-Sprecherin Cindy Bachmann: "Mehr als 70 Leute, darunter auch freiwillige lokale Helfer, waren an der Suche beteiligt." Das Gebiet sei zunächst auf 3,5 Quadratmeilen, das entspricht etwa 9 Quadratkilometern, eingeschränkt worden. Das entspricht ungefähr der zehnfachen Größe des Elbauenparks in Magdeburg.

Die Sheriff-Sprecherin sagt dem amerikanischen Journalisten auch: "Es ist kalt, aber eine Person kann für ein paar Nächte in dieser Umgebung überleben." Das, obwohl es in den Bergen des San Bernadino Nationalparks in diesen Nächten mit Temperaturen unter 40 Fahrenheit (etwa 4 Grad Celsius) schon sehr kalt ist.

Was der Professor in den einsamen Stunden durchmacht, mag sich niemand vorstellen. Nicht nur, dass er in einem riesigen Waldgebiet auf sich allein gestellt ist; er befindet sich auch im Revier von Schwarzbären und Berglöwen. Diese gelten zwar als sehr scheu, können aber dennoch vor allem Verletzten gefährlich werden. Krosts Wander- und Jagd-Erfahrungen dürften ihm wiederum helfen.

Die Hoffnung will deshalb auch niemand aufgeben. Die Stärke der Suchmannschaften wurde verdreifacht. Jeden Tag starten sie mit dem Sonnenaufgang und enden mit dem Einbruch der Dunkelheit. "Es sind auch Hubschrauber und Spürhunde im Einsatz. Zuletzt waren am Sonntag wieder mehr als hundert Helfer an der Suche beteiligt", erklärt Jürgen Christen und beruft sich auf die Aussagen seines Berliner Kollegen, der bis auf Weiteres in Lake Arrowhead bleibt. Die restlichen Tagungsteilnehmer sind längst abgereist.

Mittlerweile sind auch das Bundeskriminalamt und das Auswärtige Amt eingeschaltet. Sie leiten alle wichtigen Informationen wie zum Beispiel zur Handynutzung und zu benötigten Medikamenten an die US-Behörden weiter. "Die Ungewissheit ist für uns alle das Schlimmste. Ich habe mit der Familie gesprochen und weiß, was sie durchmacht. Nachts um 3 Uhr bekommen wir die neuesten Informationen vom Lake Arrowhead. Dann ist es in Kalifornien 18 Uhr, wenn die Mannschaften zurückkehren", erklärt Christen.

Der Prorektor hat am Montag die Mitarbeiter und Studenten über den Stand der Suche informiert. Er sagt: "Der Lehrbetrieb ist nicht beeinflusst. Die Veranstaltungen von Professor Krost werden von Kollegen übernommen."

Auch im Harz muss die Bergwacht ab und an nach Vermissten suchen. In den meisten Fällen überleben diese aber, berichtet Thomas Gerlach von der Gruppe in Wernigerode. "Erst vergangenen Winter haben wir im Ilsetal einen Skilangläufer lebend geborgen. Er hat die halbe Nacht bei Minusgraden überstanden."

Einen toten Wanderer in der Region Wernigerode gab es vor etwa drei Jahren. Er wurde zwei Tage nach seinem Verschwinden in der Wildnis aufgefunden. Allerdings herrschte damals im Gegensatz zu jetzt tiefster Winter.

"Der Überlebenswille ist in solchen Fällen besonders wichtig." - Thomas Gerlach, Harzer Bergwacht

"Das größte Problem ist in solchen Fällen die Kälte", erklärt Gerlach. Wenn außerdem starker Wind weht, fühlt sich die Temperatur auch noch kühler an, als sie tatsächlich ist. Eine weitere Schwierigkeit: Menschen, die allein durch die Wildnis irren, verfallen schnell in Depressionen. "Der Überlebenswille eines Verschollenen ist also besonders wichtig", sagt der Experte.

Um für den Notfall ausgerüstet zu sein, empfiehlt er, immer eine Wanderkarte, ein Handy mit GPS-Funktion sowie etwas zu essen und zu trinken im Rucksack zu haben. Wegen der wechselnden Temperaturen bei Tag und Nacht sollte man sich im Zwiebelprinzip kleiden - also mehrere dünne Schichten übereinander anziehen.