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Interdisziplinäre Frühförderstelle in Ottersleben ist eines von vier Hörfrühförderzentren im Land Mit "Mogli" hören Kinderohren besser

Im vergangenen Jahr hat die Interdisziplinäre Frühförderstelle "Mogli"
des Kinderförderwerks Magdeburg begonnen, Kinder mit
Hörbeeinträchtigungen zu betreuen. Mit Erfolg: In Ottersleben wird eines
von vier "Zentren für Hörfrühförderung" im Land betrieben.

Von Marco Papritz 15.10.2013, 03:14

Magdeburg l "Bedauerlicherweise läuft die Arbeit von Mogli sehr gut, denn es gibt viele Kinder mit Förderbedarf", sagt Oliver Wering, Leiter der Einrichtung an der Halberstädter Chaussee, die 2007 mit einer Vollzeit- sowie einer Teilzeitkraft ihre Arbeit aufnahm. Mittlerweile zählen 20 Mitarbeiter zum Team, das Förderung in verschiedenen Bereichen übernimmt.

Seit dem vergangenen Jahr bietet "Mogli" mit dem neu etablierten "Zentrum für Hörfrühförderung" gehörlosen und schwerhörigen Kindern mit Hörgeräten, BAHA- und Cochlea-Implantat-Versorgung fachspezifische Hilfe. "Beeinträchtigungen im Gehör fallen erstmals in der Regel beim Hörscreening auf, das jedes Neugeborene erfährt", so Wering. Viele Kinder, die im "Zentrum für Hörfrühförderung" vorgestellt werden, haben das erste Lebensjahr noch nicht vollendet. Ein Rezept ist für die Weitervermittlung nicht notwendig. Die Einrichtung arbeitet mit Pädaudiologen, HNO-Ärzten, Reha-Zentren und Fachkliniken in Magdeburg und dem Umfeld zusammen.

Kinder bis zum Einschulalter, die über Hörbeeinträchtigungen verfügen, werden vom "Zentrum für Hörfrühförderung" betreut. Sprachschwierigkeiten können ein Hinweis auf die Beeinträchtigung sein. "Für Eltern ist die Diagnose meist ein kleiner Schock. Mittlerweile kann den Kindern mit technischen Geräten sehr gut geholfen werden", so Wering. Sofern diese Hilfe gewünscht ist - in der Gemeinschaft von Gehörlosen sei es nicht selten, dass es gewollt ist, dass die Kinder gehörlos aufwachsen würden und über die Gebärdensprache lernen zu kommunizieren. Oliver Wering: "Aber generell möchte die große Mehrheit der Eltern, dass ihre Kinder mit einem Hörgerät versorgt werden. Dennoch respektieren wir selbstverständlich auch anderweitige Wünsche."

Derzeit werden 27 Jungen und Mädchen mit Hörbeeinträchtigungen von vier Fachkräften der Frühförderstelle des Kinderförderwerks Magdeburg, diplomierte Pädagoginnen und Logopädinnen, betreut, die in Magdeburg und den Bereichen Staßfurt, Bernburg bis hin nach Neuendorf tätig sind. Sie begleiten die Kinder und Eltern in Reha-Zentren in Halberstadt und Hannover, "um engen Kontakt zu den Fachkräften vor Ort zu haben und die Eltern zu unterstützen". Mit einer weiteren Mitarbeiterin soll dem Bedarf an Gebärdensprachdolmetschen entgegengekommen werden "beispielsweise als Vermittler zwischen Hörenden und Nichthörenden bei Gruppentreffen, die wir organisieren."

Bei der Betreuung verfolgt die Frühförderstelle einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur auf das Gehör gerichtet ist, sondern die allgemeine Entwicklung des Kindes einbezieht. Dabei werden die Eltern mit angeleitet. "Sie müssen verstehen, dass ein Kind, das gehörlos ist, nicht automatisch in anderen Bereichen über Auffälligkeiten verfügt", so Wering. Derzeit wird eine Elternschule aufgebaut, die Hilfe etwa im Umgang mit dem Kind im Alltag vermittelt. Im Fokus des "Zentrums für Hörfrühförderung" stehen auch die Geschwister der betroffenen Kinder, denen zum Teil weniger Aufmerksamkeit der Eltern zukommt. "Sie werden bei Kinder-Eltern-Gruppen mit eingebunden, um nicht außen vor zu sein", sagt der Pädagoge.

Während der Betreuung werden die in ihrem Gehör beeinträchtigten Jungen und Mädchen nach dem Hörscreening unter anderem schrittweise an weitere Hörtests herangeführt. Oliver Wering: "Sie müssen lernen, eine Reaktion zu zeigen, wenn ein Ton vernommen wird." Dabei wird auch herausgefunden, ob die Beeinträchtigungen beispielsweise einseitig oder beidseitig auftreten, und dem Kind die Möglichkeit gegeben, mit Hilfe technischer Geräte Geräusche wahrzunehmen. "In der Regel lernen sie das Hören etwas später, da die Versorgung mit einem Gerät nicht schon bei der Geburt gegeben ist. Daher setzt auch die Sprachentwicklung später ein", sagt Oliver Wering.

Ein Hörgerät ist nicht automatisch mit einem Stigma verbunden: Mittlerweile sei die Technik so weit, dass Hörgeräte im Alltag nicht auffallen würden, so der Leiter von Mogli. Und: "Etwa 95 Prozent der von uns betreuten Kinder besuchen einen Regelkindergarten." Auch wenn ein Anrecht darauf bestünde, müsse ein Kind mit einer Hörbeeinträchtigung nicht zwingend einen integrativen Kindergarten besuchen, so Oliver Wering: "Wichtig für die Entwicklung ist, dass der Fokus nicht auf die Hörbeeinträchtigung gelegt und das Kind in den Alltag einer Kindertagesstätte eingebunden wird." Getreu dem Motto von Mogli, dass nicht die Schwächen eines Kindes, sondern dessen Stärken im Vordergrund stehen. Wie dies umgesetzt werden kann, vermitteln die Mitarbeiter der Frühförderstelle vor Ort in den Einrichtungen, "damit die Scheu und Angst davor genommen wird, was passiert, wenn das Kind einmal sein Hörgerät verliert oder es kaputt geht".

Übrigens: Die Vermutung, dass sich Kinder ein Hörgerät herunterreißen, weil sie es als störend empfinden, bewahrheitet sich im Alltag nicht, wie Rückmeldungen von Eltern zeigen. "Dies passiert in den seltensten Fällen, weil die Kinder schon im jungen Alter merken, dass ihnen das Gerät hilft", so Wering. Für die anderen Kinder biete sich die Chance, Toleranz zu erleben.