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Studie spricht von 19000 Toten AOK rügt Kliniken für Behandlungsfehler

Endstation Krankenhaus: Zehntausende Patienten werden laut einer Studie
der AOK jedes Jahr Opfer von Behandlungsfehlern. In Sachsen-Anhalt
bleiben die genauen Zahlen unter Verschluss.

Von Hagen Eichler 22.01.2014, 02:29

Berlin/Magdeburg l Wegen Behandlungsfehlern im Krankenhaus sterben in Deutschland nach Schätzungen jährlich rund 19.000 Patienten. In rund 190.000 Fällen sollen solche Fehler gesundheitliche Schäden bei Patienten verursachen. "Die meisten Fehler entstehen bei operativen Eingriffen", sagte der Mitherausgeber des neuen AOK-Krankenhausreports, Max Geraedts, bei der Vorstellung der Studie am Dienstag in Berlin.

Komplikationen entstünden, weil die Ärzte Nachbarorgane verletzten und es zu Blutungen oder Infektionen im OP-Saal komme. Typische Fehler seien auch Verwechslungen bei den Medikamenten und mangelnde Desinfektion der Hände bei Ärzten und Pflegern. Knapp die Hälfte der Todesfälle sei vermeidbar, sagte der Gesundheitssystemforscher. Je komplizierter ein Eingriff, desto höher das Risiko. Bei der Gesamtzahl von Fehlern und Todesfällen greift der AOK-Report allerdings auf eine rund acht Jahre alte Erhebung zurück. Diese basierte damals auf mehr als 180 großteils internationalen Studien. Der AOK-Report bezieht nun die damals ermittelten Anteile von Fehlern auf die aktuelle Zahl der Klinikfälle in Deutschland.

Zahlen fürs Land hat die AOK nicht

Wie häufig wurden Patienten in Sachsen-Anhalt falsch behandelt? Dazu will sich die AOK nicht festlegen. "Unsere Zahlen sind valide, aber sie lassen sich nicht regional herunterbrechen", sagte eine Sprecherin. Auch die Zahl der Patientenbeschwerden bleibt im Dunkeln. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK), der die Vorwürfe sämtlicher Kassenversicherten prüft, will keine Zahlen nennen. "Das wäre irreführend, weil wir nicht alle Fälle kennen", sagt Volker Rehboldt, Geschäftsführer des MDK Sachsen-Anhalt. Er betonte jedoch, das Land rage nicht aus dem Bundesschnitt heraus und es gebe auch keine Zunahme von Fehlbehandlungen.

Als Kernproblem nennt die AOK, dass viele Krankenhäuser auch komplizierte Behandlungen anböten, obwohl ihnen die Erfahrung dafür fehle. So gebe es deutliche Unterschiede beim Einsatz künstlicher Hüftgelenke bei Arthrose: In Kliniken, die in der Rangliste zum Viertel der schlechtesten Krankenhäuser zählen, müssen mindestens 5,7 Prozent der Patienten binnen eines Jahres erneut unters Messer. Beim Viertel der besten Kliniken werde nur bei höchstens 2,6 Prozent der Patienten eine neue OP fällig. An Kliniken mit weniger als 15 Frühchen pro Jahr hätten zu früh geborene Babys sogar ein um 87 Prozent höheres Risiko zu sterben als an den besten Krankenhäusern.

Die kritisierten Kliniken wehren sich unterdessen. Die Studie sei unwissenschaftlich, sagt Dirk Burkard von der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt. Wissenschaftlich anerkannte Fakten würden mit Daten aus anderen Quellen unzulässig verknüpft. Auch habe die AOK ein starkes Eigeninteresse, ihre Patienten in bestimmte Krankenhäuser zu lotsen, um Kosten zu sparen. "Das ist auch nichts Neues, diese Sau wird jedes Jahr durchs Dorf getrieben", kritisiert Burkard, der bei der Krankenhausgesellschaft für Qualitätssicherung zuständig ist. Die gesetzlichen Vorgaben für Qualität seien hoch, die Versorgung sehr gut.

AOK-Vorstand Uwe Deh hingegen forderte eine umfassende Klinikreform. "In den Fokus der Aufmerksamkeit gehören die Menschen." Die Krankenkassen müssten stärker in die Lage versetzt werden, ihre Patienten in die besten Krankenhäuser zu schicken. Die Bundesärztekammer warf der AOK ein durchsichtiges Manöver vor. "Wir kehren diese Fehler aber nicht unter den Tisch", sagte ihr Präsident Frank Ulrich Montgomery.

Insgesamt beanstanden nach Schätzungen jährlich rund 40000 Versicherte pro Jahr ihre Behandlung bei Ärztestellen, Krankenkassen oder direkt vor Gerichten. Ärzte weisen darauf hin, dass in der Regel nicht Pfusch eines Arztes dahinterstecke. Organisationsmängel, mehr komplizierte Eingriffe und auch der Mut vieler Operateure zum Risiko zählten zu den Ursachen. (mit Material von dpa)