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Ukrainerin in Magdeburg "Ich trage Schwarz, bis die Gewalt aufhört"

Von Steffen Honig 20.02.2014, 02:16

Magdeburg I Galina Brieger ist übernächtigt. Sie hat in der schicksalsschweren Nacht zum Mittwoch, als in Kiew der Maidan brennt, kaum ein Auge zugetan. Noch immer ist die Ukrainerin, die seit 25 Jahren in Magdeburg lebt, fassungslos von den Bildern der Gewalt in ihrer Heimat. "Ukrainer schießen auf Ukrainer - das ist Bürgerkrieg."

Mittags sitzt sie dann in ihrem Galerie-Depot in Magdeburg mit Landsleuten zusammen, um gemeinsam das Leid zu teilen. Auch Dieter Steinecke, früherer Landtagspräsident und im Deutsch-Ukrainischen Forum aktiv, ist gekommen.

Janukowitsch, der "kriminelle Präsident"

"Verantwortlich für Eskalation und Tod ist Präsident Janukowitsch", erklärt Michael Pilipcuk, ukrainischer Physiotherapeut. All die Gespräche, die Vitali Klitschko und die anderen Oppositionspolitiker mit dem "kriminellen Präsidenten" geführt haben, hätten nichts gebracht.

Galina Brieger hat selbst Maidan-Erfahrung. Im Dezember und Januar war sie bei ihrer kranken Mutter in einem Dorf, 60 Kilometer von Kiew entfernt. Von dort aus startete sie mit einer Gruppe von Freunden und Bekannten, um den Protest in der Hauptstadt zu unterstützen und mit den Organisatoren in Kontakt zu kommen. Was ihr auffiel: "Die Leute hatten Angst. So ängstlich habe ich Ukrainer noch nie erlebt." Aber es habe keine Krawalle und keine Betrunkenen gegeben, dafür meterhohe Barrikaden. Brieger konnte sich von der Bühne an die Demonstranten wenden und versicherte sie der Unterstützung aus Magdeburg.

Die Galeristin wurde bei ihrem Ukraine-Besuch auch mit Gründen konfrontiert, die die Volksbewegung gegen Präsident und Staatssystem hervorgebracht haben. Vor allem ist da die überbordende Korruption: "Ohne Bestechungsgeld wird man beim Arzt nicht behandelt."

Janukowitsch-Anhänger bestechen und bedrohen

Auch wie Wahlen manipuliert werden, bekam sie von Bekannten zu erfahren. Leute von Janukowitschs Partei kämen dann zu alten Menschen und sagten: Hier Mütterchen, da hast du zehn Euro, dafür machst du dein Kreuzchen mal hier an dieser Stelle. So werde in der Ukraine gewählt.

Für die Zuspitzung der Lage macht Briegers Sohn Yevgeni auch Provokationen der Janukowitsch-Seite verantwortlich. In Kiew werden Briefe in Autos von Oppositionellen gesteckt, in denen mit Haftstrafen bei Fortsetzung des Protestes gedroht würde. Demonstranten in der Innenstadt würden mit SMS ähnlich bedroht. Und wenn 50 Krankenwagen am Maidan zerstört worden seien, könne das kein Zufall sein.

Die von der Kiewer Führung als große Geste verkaufte Freilassungsankündigung für inhaftierte Regimegegner hat auch einen Pferdefuß: Nur bei Räumung aller besetzten Gebäude in der Hauptstadt soll sie wirksam wer- den.

Sanktionen gegen Oligarchen und Politiker-Clans gefordert

Die jetzige Staatsführung könne nur durch Sanktionen der Europäer zum Einlenken bewegt werden, meinen die Ukrainer. Etwa durch das Sperren von Konten ukrainischer Oligarchen und Politiker-Clans in Westeuropa, wo diese ihre Milliarden geparkt haben. Einige einschlägige Namen sind Achmetow, Kliujew, Janukowitsch und Asarow.

Ohnmacht und Wut prägen die Stimmung unter den Ukrainern in Magdeburg. "Ich trage Schwarz, bis die Gewalt aufhört", erklärt Brieger.

Was können die Deutschen tun? Dieter Steinecke dringt vor allem auf internationale Vermittlung zur Lösung der Krise: "Jeder Tote ist einer zu viel. Russland, die EU und die Ukraine müssen an einen Tisch."

Galina Brieger will aber unbedingt selbst aktiv werden, an Janukowitsch schreiben und das Europäische Parlament. Sie hofft auch auf Unterstützung von ihren deutschen Mitbürgern: "Ich bitte die Magdeburger - helfen sie der Ukraine."