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Kreissparkasse Stendal Jöntgens Rückzug wird Thema im Kreistag

Mit Erstaunen und Entsetzen reagierten am Montag Mitarbeiter, Politik und
Wirtschaft, dass Sparkassen-Chefin Kerstin Jöntgen gekündigt hat. Die
Linke will die Rolle des Landrates am Donnerstag im Kreistag
thematisieren.

01.04.2014, 01:16

Stendal l Die Mitarbeiter sind "geschockt und überrascht", fasste eine Angestellte nach der Mittagspause die Stimmung zusammen: "Wir sind als Sparkasse mit Frau Jöntgen an der Spitze auf dem richtigen Weg und hofften, dass sie hier bleiben würde, wenn man sie lässt." Bei einigen keimt aber auch die Hoffnung auf, es werde wieder "wie früher". Andere fühlen sich im Stich gelassen.

Die Nachricht, die am Morgen exklusiv in der Volksstimme gestanden hatte, verbreitete sich jedenfalls in der Kreisstadt und im Landkreis wie ein Lauffeuer. Jöntgen schickte zu Dienstbeginn eine Mail an alle Mitarbeiter. "Mit Bedauern" und "schweren Herzens" erklärte sie ihnen ihren Schritt und bedankte sich für die Unterstützung, "wenn es darum ging, Altes hinter uns zu lassen und zu bewältigen und Neues im Interesse unserer Kunden aufzubauen".

"Nunmehr Blick nach vorne richten." - Landrat Carsten Wulfänger (CDU)

Wenige Minuten später ging die Pressemitteilung von Landrat Carsten Wulfänger (CDU) heraus. Als Vorsitzender des Verwaltungsrates informierte er über Jöntgens Kündigung zum 30. September. Bis dahin werde sie ihre Arbeit "so engagiert wie bisher fortsetzen". Wulfänger dankte ihr "für ihre bisherige Tätigkeit", schrieb aber auch: "Nunmehr gilt es, den Blick nach vorne zu richten." So wird der Verwaltungsrat am 16. April über die Ausschreibung der Stelle beraten.

Interessant an beiden Erklärungen ist, was nicht drin steht, wie einzelne Punkte erklärt werden und was man alles zwischen den Zeilen lesen kann. Wulfängers Text enthält einen Dank, vermeidet aber jegliches Bedauern. Auf Volksstimme-Nachfrage erklärte der Landrat jedoch: "Natürlich bedauere ich das."

Wulfänger vs. Jöntgen: Deutliches Zeichen für angespanntes Verhältnis

Jöntgen erwähnt Wulfänger und den Verwaltungsrat mit keiner Silbe. Sie betont indes, wie wichtig ein "enges und vertrauensvolles Miteinander" sei: "Dieses unabdingbare Vertrauen kann nach meiner festen Überzeugung mit einer neuen Führungspersönlichkeit am besten gewährleistet werden" - eine Chiffre für das angespannte Verhältnis.

Aus den Reihen der Stendaler Wirtschaft wird offen von einem Verlust gesprochen. "Davon wird sich die Sparkasse so schnell nicht erholen", fürchtet Unternehmer Bernd Zorn. Der Träger des Bundesverdienstkreuzes gilt als engagierter Befürworter von Jöntgens Kurs: "Ich ziehe meinen Hut vor der Frau. Was sie aushalten musste, davor hätten Männer eher kapituliert", sagt er auch mit Blick auf den Gegenwind durch den Verwaltungsrat, den Jöntgen aushalten musste: "Wenn die pfiffig wären, würden sie ihr noch ein ansprechendes Angebot machen."

"Rückschlag bei der Aufklärung." - Abgeordneter Tilman Tögel (SPD)

Der SPD-Landtagsabgeordnete Tilman Tögel gehörte zu den Politikern, die bei der Aussprache im Kreistag Anfang November deutliche Worte gegen das "System Burmeister" und den Verwaltungsrat gefunden hatten. Er sieht in der Kündigung einen "Rückschlag bei den Bemühungen, die Vergangenheit sauber aufzuklären".

Er habe aber "großes Vertrauen in die Justiz, dass die weitere strafrechtliche Aufarbeitung der dubiosen Vorgänge in der Kreissparkasse unabhängig erfolgt und unter dem Weggang von Frau Jöntgen nicht leiden wird". Tögel fordert, dass die nächsten Mitglieder des Verwaltungsrates "tatsächlich an der Aufarbeitung der Vergangenheit mitwirken".

Die Linke-Fraktion will das Thema auf die Tagesordnung des Kreistages am Donnerstag setzen. "Wir haben viele Fragen an den Landrat", kündigt ihre Abgeordnete Katrin Kunert an. Sollte Wulfänger sich nicht erklären, strebt die Linke eine Aktuelle Stunde oder eine Sondersitzung an.