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Uni-Sparpläne Studenten und Rektor fühlen sich überrumpelt

Sie sind gerade den ersten Tag aus den Semesterferien zurück, da merken
die Studenten der Uni Magdeburg, dass ihre Hochschule schon bald nicht
mehr dieselbe sein wird. Es ist ein Tag zwischen Ratlosigkeit und
Empörung.

Von Hagen Eichler 01.04.2014, 03:19

Magdeburg l Matt blinzelt die Frühlingssonne durch die Schleierwolken. Auf dem Rasen vor Uni-Gebäude 40 am Krökentor sitzen Studenten im Schneidersitz, trinken Kaffee aus Pappbechern, die Bücher neben sich. Es ist der erste Tag des Sommersemesters - der Tag, um über die Ferien zu sprechen, über erledigte Hausarbeiten und freie Tage.

Doch die meisten reden über Gebäude 40, einen blaugrauen Fünfgeschosser, den gerade sanierten Sitz der Fakultät Humanwissenschaften. Es ist die Fakultät, die nach dem Plan von Wissenschaftsminister Hartmut Möllring geschlossen werden soll.

Eine 26-Jährige mit roten Rastalocken hat es am Montag erst erfahren, durch Mundpropaganda. "Ich kann gar nicht glauben, dass Möllring das wirklich machen will. Das macht an der Uni doch die Vielfalt kaputt, die erst nach der Wende aufgebaut wurde."

Beratungen über Hochschulzukunft hinter verschlossenen Türen

Die Studentin mit der selbstgedrehten Zigarette studiert Friedens- und Konfliktforschung - ein Angebot, das selten ist in Deutschland. 2012 kam sie aus Hamburg, anfangs musste sie zu ihren Seminaren durch die ganze Stadt fahren. Seit einem Jahr ist der Studiengang fest Am Krökentor zu Hause. Vor dem Gebäude, zwischen jungen Birken, verkündet ein großes Schild, dass die Europäische Union den Umbau des alten Plattenbaus gefördert hat.

Drinnen im Gebäude sitzen um einen Tisch voller Kuchenkrümel ein paar Studenten, die schon seit Monaten das Schlimmste befürchten. Von den Protesten des vergangenen Jahres haben sie noch ein Transparent, darauf die Buchstaben "FHW" für Fakultät Humanwissenschaften und die Worte "geschlossen - dagegen".

An der Geschlossenheit der Studenten haben die gewählten Mitglieder des Fachschaftsrats allerdings Zweifel bekommen. "Traurigerweise hat sich der Großteil mit den Plänen noch gar nicht auseinandergesetzt", klagt Anna Roßdeutscher. Sie führt das auch auf die Beratungen hinter verschlossener Tür zurück. In die Strukturkommissionen, die seit Monaten beraten, habe die Uni nur auf Druck hin Studenten zugelassen - und die seien zum Stillschweigen verdonnert, sagt Stephan Pham. "Niemandem ist klar, an welchem Stand der Beratungen wir gerade sind."

Hochschulkonzept wurde Geiger zum Abschied serviert

Ein paar Steinwürfe weiter, im Büro des Rektors, steht das Telefon nicht still. Jens Strackeljan kommt von einem Termin, die Rektoratssitzung hat bereits ohne ihn angefangen, er telefoniert noch kurz mit seinem Kollegen Andreas Geiger von der Hochschule Magdeburg-Stendal. Die Hochschul-Chefs fühlen sich selbst überrumpelt.

Am Donnerstagabend, als Geiger seinen Abschied vom Amt feierte, ging in den sieben Hochschulen des Landes die E-Mail aus dem Wissenschaftsministerium ein. Sie enthielt das 36-seitige Hochschulkonzept, ausdrücklich als Vorschlag des Ministers deklariert. Als Möllring am Freitag vor die Presse tritt, stichelt er, die Rektoren hätten lieber noch ein paar Wochen über dem Papier gebrütet - den Auftrag, ein Konzept vorzulegen, habe aber nun einmal er.

Strackeljans Aufgabe ist schwieriger als noch im vergangenen Jahr. Damals demonstrierte er zusammen mit Tausenden von Studenten gegen abstrakte Kürzungen. Jetzt liegt ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch. Die Rektoren dürfen Gegenvorschläge machen, um den vorgesehenen Einsparbeitrag zu erreichen, das hat Möllring betont.

Uni-Rektor Strackeljan setzt auf Schrumpfung

Damit haben sie aber auch die Aufgabe, über einzelne Fächer den Daumen zu senken. Worauf soll die Uni verzichten? Auf die Friedens- und Konfliktforschung? Auf Anglistik? Geschichte? In Strackeljans Büro liegen etliche Konzepte, doch er will sich noch nicht festlegen. "Sicher ist: Die Fakultät Humanwissenschaften wird nicht mehr so aussehen wie vorher." Viele Fächer seien mit gerade drei Professuren zu klein. "Ob man damit einen konkurrenzfähigen Master-Abschluss anbieten kann, darf man bezweifeln."

Aber die ganze Fakultät schließen? Das hält der Rektor für das falsche Signal. Ihm schwebt eine Schrumpfung vor, mit Professuren, die klar auf bestimmte Spezialgebiete fokussiert sind. Die beiden Politik-Stellen, die im kommenden Jahr neu zu besetzen sind, könnten etwa die Felder Energiewende, Ressourceneffizienz, Armutsbekämpfung beackern. Das wäre dann auch an einer technikorientierten Universität ein Gewinn. Dennoch: Irgendwo wird es Kürzungen geben.

Was von der Fakultät Humanwissenschaften ist durch Umbau zu retten? Am Krökentor berät dazu am Nachmittag die Strukturkommission, am Dienstag tagt der Fachschaftsrat, und der Studierendenrat plant eine Vollversammlung. Ob es jedoch wie im vergangenen Jahr zu Massenprotesten kommt, ist offen - die Interessen der Hochschulen sind nicht länger gleichgerichtet. Selbst an der Universität gibt es Studenten, die sich erleichtert oder gleichgültig abwenden, weil es nun die Geisteswissenschaftler treffen soll, die auf der anderen Seite des Universitätsplatzes.

Magdeburger Studenten sitzen zwischen den Stühlen

Wissenschaftsminister Möllring kann an diesem Montag gelassen die Diskussionen beobachten. Seine Lage ist komfortabel: Wie viel Geld die Hochschulen einsparen müssen, ist unstrittig. Wie beiläufig hat Möllring diesen Punkt am vergangenen Freitag erwähnt: Die Sparsumme hat der Ministerpräsident mit den Rektoren verabredet. Diese, das ist Möllrings Botschaft, sind Teil des Deals.

Die Studentenvertreter sehen das Dilemma. "Wir gehen natürlich mit der Maximalforderung rein, wir wollen eine Erhöhung des Budgets", sagt Johannes Filter vom Studierendenrat. "Realpolitisch gibt es aber wohl kaum einen Weg, am Bernburger Frieden zu rütteln", gibt er zu. Denn dafür müssten die Uni-Studenten das Feuer auf ihren Rektor eröffnen, der den Ruf hat, die Studenten ernstzunehmen und einzubinden.

In Bernburg hatten sich Ende 2013 Regierung und Rektoren nach langem Protest geeinigt, dass die Unis bis 2024 maximal 75 Millionen Euro einsparen. Zuvor wollte die Regierung mit einem Kürzungsvolumen von 275 Millionen Euro deutlich schärfer vorgehen.

Was in den nächsten Wochen ausgebrütet wird, betrifft Tausende, oft ganz privat. Der Maschinenbau-Student Marvin Listl etwa möchte gern mit seiner Freundin zusammenziehen. Sie studiert Kulturwissenschaft, Abschlus Bachelor. Ob sie in Magdeburg noch den Master dranhängen kann? "Keine Ahnung, ob es den dann noch gibt", sagt Listl, "wir wissen einfach nicht, was passiert."