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Weltraumflug-Prozess Außerirdisch strittig

Um nichts Geringeres als einen Weltraumflug streiten sich zwei
Autohändler vor Gericht. Der Prozess ist unterhaltsam - auch mit Blick
auf die außerirdischen Geschäftspraktiken der beiden.

Von Oliver Schlicht 19.06.2014, 03:25

Magdeburg l Zivilprozess am Magdeburger Landgericht. Rechts auf der Klägerbank: Möchtegern-Astronaut Bilal Mazbouh, Inhaber von Autoverkaufsplätzen in Burg und Berlin. Links die Verklagte: Heike Düsterhöft, sie repariert und verkauft Autos in Magdeburg. Im Herbst hat sie Termin in einer russischen Zentrifuge, sagt sie. Weltraum-Training. Dazwischen Richter Jörn Draack. Er schwitzt. Zunächst entledigt er sich seiner Robe, dann löst er den Schlips, schließlich krempelt er die Ärmel hoch. Fünf Stunden dauert das Verfahren.

Am Richter liegt das nicht. Er ruft die Parteien am Beginn fast flehend zur Einigung auf: "Das geht hier aus wie Mexiko-Brasilien - null zu null". Die Beweislage auf Klägerseite sei mehr als dünn, weil dessen einzige Zeugin - seine polnische Bürohelferin Ida B. - den ganzen Streit nur vom Hörensagen schildern kann. Doch Bilal Mazbouh will das durchziehen, sagt er. Er will ins All, sagt er - oder 75000 Euro, sagt sein Anwalt. Das sei der Flug und dessen Vermarktung - etwa ein Dschungelcamp-Auftritt bei RTL - wert. Die Gegenseite schmunzelt. Sie hat gute Karten und ein Weltraum-Ticket.

Die Frage, ob Heike Düsterhöft dank dieses Tickets - der Lotterie-Gewinn einer großen Fastfoodkette - tatsächlich bald mit einem Raketenflugzeug Typ SXC in 100 km Höhe geschossen wird, steht in den Sternen. Bislang ist mit der "SXC" noch niemand abgehoben. Die Magdeburgerin glaubt daran. "Ich bin fit wie ein Turnschuh", habe sich nach dem ersten Medizincheck herausgestellt. Im Herbst beginne in Russland ihr Astronauten-Training.

Über die Umstände, wie der Gewinner-Coupon mit einem imaginären Gegenwert von 79.000 Euro in ihren Besitz gelangt ist, gibt es zwei Versionen. Hier die Kurzfassungen:

Zunächst die von Kläger Mazbouh: April 2013. Er bekommt den Hauptpreis-Coupon beim Essen im Fastfood-Restaurant. Er schreibt eine SMS an Kollegin Heike Düsterhöft: "Willste zum Mond fliegen?" Sie treffen sich. Sie behält einfach den Coupon und meldet sich hinter seinem Rücken als Gewinnerin an. Er will seinen Coupon zurück. Sie schenkt ihm stattdessen ihren Mercedes ML. Er nimmt ihn grollend. Wert? Nach Steuer so 15.000 Euro, schätzt er. Das ist ihm zu wenig. Sie wird nun öffentlich als Gewinnerin geehrt. Sagt, sie habe den Coupon im Restaurant selbst bekommen. Sie lügt. Er droht mit Anwalt. Sie bietet ihm noch zwei Autos und einen Satz Alufelgen an. Er droht immer noch. Sie zahlt ihm 10.000 Euro in bar Schweigegeld. Jetzt sagt er: Die Autos sind zu wenig wert. Er will den Flug oder deutlich mehr Geld.

Ihre Version: SMS: "Willste zum Mond fliegen?" Sie will, hat aber gerade kein Geld. Er will ihren Mercedes. "Nimm ihn", sagt sie. Coupon-Verkaufsvertrag? Machen sie nicht. Beide tun "auf seinen Wunsch", sagt sie, so, als würde sie im Restaurant den Coupon zufällig erhalten. Riesen Rummel. Sie ist im Fernsehen. Ihm ist nun der Mercedes ML zu wenig. Sie bietet noch zwei Gebrauchtwagen. Er will plötzlich ein Darlehen "wegen Eheproblemen", sagt sie. Er bekommt 10.000 Euro in bar. Darlehensvertrag? Hat sie nicht. Wollte sie später machen, sagt sie. Das Geld habe sie "erst einmal aus der GmbH-Kasse" genommen. Richter: "Quittung?" Hat sie nicht. "Haben Sie immer so viel Geld in bar dabei?" Antwort: "Nicht direkt in der Tasche. Aber in den Schränken." "Mmhh." Richter Draack schwitzt schon wieder.

Zeugenvernehmung Ida B., die polnische Bürohelferin von Kläger Mazbouh. Ihre Ausführungen, dass die etwa vier Jahre alten Autos "ziemlich neu" waren, versteht Richter Draack zwar nicht. Aber Düsterhöft und Mazbouh lächeln in trauter Zweisamkeit. Ja, so ist das im Gebrauchtwagengeschäft. Im Übrigen sagt Ida B., was ihr Chef sagt. Das hatte der Richter erwartet. Am 6. August will er sein Urteil verkünden. Wahrscheinlicher Spielausgang: Null zu null.