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Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer "Die Kanzlerin hat kein Interesse"

02.09.2014, 01:29

Magdeburg l Von einer Elektroauto-Euphorie ist in Deutschland nichts zu spüren. Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer erklärt im Interview mit Volksstimme-Reporter Dominik Bath, warum sich die Technologie bislang noch nicht durchsetzen konnte.

Herr Professor Dudenhöffer, in Sachsen-Anhalt gibt es nur rund 30 Ladesäulen für Elektroautos. Hat das Bundesland den Startschuss in Sachen Elektromobilität verschlafen?
Ferdinand Dudenhöffer: Sachsen-Anhalt steht nicht besser, aber auch nicht schlechter da als andere Bundesländer. Die Infrastruktur für Elektromobilität ist in Deutschland überall nicht ausreichend. Für die Menschen ist es aktuell wenig vorteilhaft, sich ein Elektroauto zu kaufen.

Woran liegt das?
Es fehlt der Kaufanreiz. Momentan ist ein Elektroauto gut 10000 Euro teurer als ein Fahrzeug mit konventionellem Antrieb. Der Käufer bekommt dafür ein Auto mit einer Reichweite von 150 Kilometern und eine schlechte Ladeinfrastruktur. Dabei hilft das Elektroauto enorm, unsere Umwelt- und Lärmbelastungen zu verbessern. Und das macht in Städten am meisten Sinn. Aber wie soll ein Besitzer sein Elektroauto laden, wenn er in einer Mietwohnung im fünften Stock wohnt? Etwa ein Kabel aus dem Fenster hängen? Es fehlt an vielem.

Werden sich Elektroautos in Deutschland durchsetzen?
Bis zum Jahre 2022 sicher nicht. So lange gelten im Prinzip die heutigen Vorgaben der EU für die CO-Emissionen von Neuwagen und die lassen sich mit konventionellen Autos gut erreichen. Pikanterweise hat unsere Bundeskanzlerin in Brüssel scharf interveniert, um die geplanten strengeren CO-Auflagen der EU in die Zukunft zu schieben. Damit hat Frau Merkel der Elektromobilität einen "Bärendienst" erwiesen. Die Öl- und Gaspreise sind und bleiben niedrig. Wenn die Politik keine strengeren CO-Vorgaben macht oder andere Vorteile, wie etwa Kaufprämien für Elektroautos auslobt, werden sich alternative Antriebe nicht durchsetzen.

Macht die Politik zu wenig, damit sich die Technologie durchsetzt?
Die Bundesregierung hat im Grunde so gut wie nichts gemacht. Elektroautofahrer dürfen zwar bald die Busspur nutzen und bekommen reservierte Parkplätze. Aber das ist weniger als ein Tropfen auf einen heißen Stein. Das reicht nicht aus. Das Förderprogramm der Bundesregierung ist Stückwerk. Kleine Budgets, die in vielen Kleinstprojekten "verdampfen". Die Bundeskanzlerin interessiert sich nicht wirklich für das Elektroauto.

Welche Anreize wären denn sinnvoll?
Wir müssen Regulierungen schaffen, damit Elektroautos wettbewerbsfähig werden. Denkbar wäre eine City-Maut für "Stinker" wie zum Beispiel in London. In deutschen Städten dürften dann Elektroautos kostenlos fahren. Autos, die die Umwelt stärker belasten, müssten eine gewisse Gebühr zahlen. Dann wären die Elektroautos sofort attraktiver. Strengere CO-Auflagen für Neuwagen, wie die EU sie plante, würden ebenfalls E-Autos fördern. Oder mit kostenlosen Parkplätzen und kostenlosem Strom in den Innenstädten den Elektroautos Vorteile einräumen. Das macht etwa Amsterdam. Es gäbe sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten.

Wie steht Deutschland im Bereich Elektromobilität derzeit im internationalen Vergleich da?
Wir fahren hinterher. Die Kanzlerin hat kein Interesse. Die Elektromobilität braucht keine wachsweichen Kompromisse. Sie braucht Entscheidungen. Andere Länder sind viel weiter als wir. In Norwegen etwa wird der Kauf von Elektroautos steuerlich gefördert. Auch in Frankreich, den USA oder China gibt es Zuschüsse. China hat gerade ein Riesenprogramm zum Ausbau der Ladesäulen in Großstädten verabschiedet. In Deutschland gibt es so gut wie nichts.

Was sagen die Autohersteller zur Elektromobilität in Deutschland?
Die Autobauer haben viel Geld reingesteckt. Die Hersteller haben sich auf das Wort der Kanzlerin verlassen, dass im Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Heute stehen sie damit im Regen. Das Ziel eine Million kann nicht mal ansatzweise erreicht werden. 10 Prozent oder 100000 Elektroautos im Jahre 2020 wären ein Erfolg. Weder Stromanbieter, noch Autobauer, noch Zulieferer investieren heute noch in das Elektroauto.