1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Studenten wollen rüstungsfreie Uni

Kriegsforschung Studenten wollen rüstungsfreie Uni

Von Hagen Eichler 09.12.2014, 02:15

Halle/Magdeburg l Wenn es um Krieg und Frieden geht, ist Judith Hesse sensibel. Die Studentin der Soziologie und Hispanistik von der Universität Halle-Wittenberg gehört dem Sozialistisch-Demokratischen Studierendenverband (SDS) an, der der Linkspartei nahesteht. Sie empört sich, wenn etwa ein Politik-Professor in der Vorlesung aus ihrer Sicht zu unkritisch über Auslandseinsätze der Bundeswehr redet. "Das ist ja auch kein Wunder, wenn der vorher an der Universität der Bundeswehr gelehrt hat."

Die Studentin ist für eine klare Grenze zwischen der Wissenschaft und allem, was dem Krieg dient. Erreichen will sie das durch eine sogenannte Zivilklausel. Dadurch würde sich die Uni verpflichten, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen. Mit einem vom Studentenrat initiierten Arbeitskreis will Hesse an der Uni eine Debatte über dieses Ziel anstoßen. Am Ende soll der Akadamische Senat die Klausel beschließen. Forschung im Auftrag der Bundeswehr oder des Pentagons wäre dann untersagt.

"Niemand erteilt ja den Auftrag, eine neue Splittergranate zu entwickeln."
Emanuel Fischer, Studentenrat

Von einer massiven Zunahme solcher Aufträge an deutschen Hochschulen spricht die Linken-Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke. Schuld sei die sinkende Grundfinanzierung der Hochschulen, die die Professoren in die Arme von Drittmittel-Gebern treibe. Gleichzeitig werde die Außenpolitik kriegerischer, klagt Gohlke. "Die Indienstnahme von eigentlich zivilen öffentlichen Einrichtungen wächst." In der vergangenen Woche warb die Hochschulpolitikerin unter Hallenser Studenten für die Zivilklausel.

Doch was ist zivil, was nicht? Im März hatte die Landesregierung auf Anfrage des Landtagsabgeordneten Hendrik Lange (Linke) mitgeteilt, "nach Auskunft der Hochschulen" gebe es in Sachsen-Anhalt "keine militärrelevanten Forschungsprojekte". Im April berichtete die Volksstimme, dass Wissenschaftler der Uni Magdeburg am EU-Forschungsprojekt "Savelec" beteiligt sind. Dabei geht es um eine Elektronik, die "nicht-kooperative", also feindliche Fahrzeuge stoppen kann. Für die Anwendung interessieren sich Polizeibehörden ebenso wie Verteidigungsminister. An dem Projekt beteiligt sind zwei Rüstungskonzerne.

Allerdings: In dem europaweit auf zahlreiche Partner verteilten Vorhaben untersuchen die Magdeburger lediglich, welche juristischen und gesellschaftlichen Folgen ein solches Gerät haben kann. "Das ist reine Grundlagenforschung", betont der wissenschaftliche Mitarbeiter Sven Kuhlmann. Er verspricht Offenheit: Die Beteiligten seien bereit, ihre Arbeit jedem Kritiker zu erläutern. Angesichts dessen fällt es dem Studentenrat der Uni Magdeburg schwer, eine Position zu finden.

Im April hatte die Studentenvertretung gefordert, dass die Uni eine eigene Ethik-Kommission einsetzen müsse - zusätzlich zu der gesamteuropäischen, die es bereits gibt. Passiert ist nichts. "Das Thema ist durch die Auseinandersetzung mit der Kürzungspolitik bei den Hochschulen etwas in den Hintergrund geraten", räumt Stura-Mitglied Emanuel Fischer ein.

Ohnehin sei es schwierig, militärisch nutzbare Forschung eindeutig abzugrenzen. "Niemand erteilt ja den Auftrag, eine neue Splittergranate zu entwickeln." Zu diesem Schluss ist auch die Hochschule Magdeburg-Stendal gekommen, die auf eine Zivilklausel verzichtet hat. "Eine trennscharfe Verfolgung der Nutzung von Forschungsergebnissen ist oft kaum möglich", sagt Sprecher Norbert Doktor.

Den Einwand kennt auch die Hallenser Friedens-Aktivistin Judith Hesse. Die Zivilklausel versteht sie als Appell an alle Wissenschaftler: "Sie müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass ihre Arbeit immer auch negative Folgen haben kann." Meinung