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"Radlader-Überfälle" von Harzer Familie geplant Mülltüte wird Bande zum Verhängnis

Die drei brachialen Einbrüche mit Radladern bzw. Bagger in Bankfilialen in Harzgerode und Königerode sowie in einen Gernröder Baumarkt hat offenbar eine Familie aus Harzgerode organisiert. Vater, Mutter, Sohn und drei weitere Helfer sitzen in Untersuchungshaft.

Von Matthias Fricke 14.01.2015, 02:07

Halberstadt l Zunächst erscheint der Fund in einem Wald bei Harzgerode Ende April vergangenen Jahres unbedeutend. Nach dem Bagger-Einbruch in den Hagebaumarkt in Gernrode entdecken Ermittler der Spurensicherung eine Mülltüte in der Nähe des dort abgelegten leeren Tresors. In dem blauen Abfallsack befindet sich Papier mit einer Adresse. Die Spur führt später zu einem 52-Jährigen aus Nachterstedt im Salzlandkreis. Kriminalrat Andreas Haberlag, Leiter der Ermittlungsgruppe "Schaufel" aus dem Revier Harz sagt später: "Als sich herausstellte, dass der Mann Baggerfahrer ist, wurden wir natürlich stutzig."

In der Zwischenzeit schlägt die Radladerbande wieder zu. Noch zweimal. Mit brachialer Gewalt bahnen sich zwei ebenfalls gestohlene Radlader in Königerode und Harzgerode den Weg in die dortigen Volksbankfilialen. Es werden in allen drei Fällen insgesamt rund 170000 Euro erbeutet. Der Sachschaden beläuft sich auf 330000 Euro (siehe Infokasten).

Bei den Einbrüchen gehen die Täter dreist vor: Mit den zuvor gestohlenen langsam fahrenden Baufahrzeugen legen sie sogar mehr als 40 Kilometer auf der Landstraße zurück und nehmen in Kauf, dass viele Zeugen das Fahrzeug sehen und den Fahrer beschreiben können.

Am 22. Juli gründet sich die Ermittlungsgruppe "Schaufel" mit sieben Beamten. Sie erhält ihren Namen vom "Tatwerkzeug".

Es verdichten sich zwar durch Zeugenaussagen die Hinweise auf den Baggerfahrer aus Nachterstedt, aber für einen Haftbefehl reicht es noch nicht aus. Der Mann aus dem Salzlandkreis ist der Polizei wegen Eigentumsdelikten bekannt und passt auch in das Profil. Er wird "intensiv durchleuchtet". Auch die anderen fünf Verdächtigen geraten bei den Ermittlungen zunehmend in das Visier der Polizei. Der Aufwand für die Beamten wird immer größer.

Später sagt Revierleiter Polizeioberrat Dietmar Schellbach: "Zwischenzeitlich waren 112 Beamte und Angestellte im Einsatz. Einige haben zum Teil auf Urlaub und freie Tage verzichtet."

Dann haben die Ermittler noch Pech: An einem Wochenende sucht die Polizei mit Hubschraubern am Wohnort des Hauptverdächtigen in Harzgerode eine vermisste Person. Überall im Ort sind aus diesem Grund Streifenwagen unterwegs. Der Kriminalrat: "Das hat schon gereicht, dass lange Ruhe eintrat." Es gelingt dadurch nicht, die Bande auf frischer Tat zu schnappen.

Doch die Tatortgruppe des Landeskriminalamtes hat inzwischen einen DNA-Treffer aus dem ersten Einbruch mit einem Bagger in Gernrode. Er passt zu dem bereits unter Verdacht stehenden Baggerfahrer. Damit kann der zuständige Staatsanwalt Klaus Bleuel einen Haftantrag beim Amtsgericht Halberstadt erwirken.

Das Spezialeinsatzkommando des Landeskriminalamtes nutzt am 6. Januar eine günstige Gelegenheit, um den 52-Jährigen in seinem Wohnort in Nachterstedt festzunehmen. Der Einsatz selbst dauert nur wenige Minuten. "Für uns war es wichtig, dass die Festnahme keiner mitbekommt, um weitere Ermittlungen nicht zu gefährden", erklärt der Kriminalist. Der Baggerfahrer scheint aber nur der Ausführende gewesen zu sein. Er lebte von Hartz IV und wollte sich ein paar Euro verdienen.

Er will deshalb nicht alles allein ausbaden und legt ein umfassendes Geständnis ab, das er auch vor dem Haftrichter wiederholt. Damit kann Staatsanwalt Bleuel auch für den Rest der Bande einen Haftbefehl erwirken. Das Spezialeinsatzkommando schlägt am 8. und 9. Januar in Quedlinburg zu. Es kann eine Familie aus Harzgerode und einen 25-Jährigen aus Quedlinburg festnehmen. Ein 21-Jähriger sitzt bereits seit Oktober 2014 eine Haftstrafe wegen eines Einbruchs bei einem Schlüsseldienst und anderer Straftaten im Justizvollzug Halle ab.

Zeitgleich mit den Festnahmen suchen Beamte in elf Objekten im Harzkreis und Salzlandkreis nach weiteren Beweisen. Im Einsatz ist auch ein Geldmittelspürhund des Hauptzollamtes Frankfurt/Oder. Die Beamten finden aber nur bei den Einbrüchen genutzte Gegenstände. "Das muss jetzt alles noch ausgewertet werden. Möglich ist es, dass wir noch weitere Straftaten aufklären können", so Eckhard Gluschke, Leiter des Revierkriminaldienstes.

Die Ermittler vermuten, dass der größte Teil der Beute in der Familienkasse des Hauptbeschuldigten Uwe L. aus Herzgerode landete. Der 57-Jährige ist mehrfach vorbestraft, bezieht mit seiner 44-jährigen Frau Hilfe vom Amt. Der 20-jährige Sohn ist Auszubildender. Die Familie und die drei anderen kannten sich seit längerer Zeit.

Staatsanwalt Klaus Bleuel: "Wir werden vor dem Landgericht Magdeburg Anklage wegen schweren Bandendiebstahls erheben." Wann, steht noch nicht fest. Es drohen Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren.