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Grünen-Landesparteitag in Halle "Kabinett des Grauens"

Die Grünen haben bei einem Parteitag am Sonnabend in Halle das Programm
für die Landtagswahl beschlossen. Zentrale Punkte sind: mehr
Windenergie, mehr Schulen auf dem flachen Land, keine Gentechnik in der
Landwirtschaft. Heftige Kritik gab es an der Arbeit der
CDU/SPD-Koalition.

Von Michael Bock 06.07.2015, 03:10

Halle l Die Grünen wollen bei der Landtagswahl am 13. März 2016 erneut die Sieben-Prozent-Marke überspringen. Ziel sei es, die 7,1 Prozent bei der Wahl 2011 zu wiederholen oder noch ein wenig zu verbessern, sagte die Fraktionsvorsitzende Claudia Dalbert. "Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen." Aktuelle Umfragen verorten die Grünen derzeit bei sechs Prozent. Eine Koalitionsaussage lässt Dalbert, die auch designierte Spitzenkandidatin ist, nach wie vor offen. Die inhaltliche Schnittmenge für eine Koalition sei mit SPD und Linken größer als mit der CDU, sagte sie. Zum Beispiel bei gesellschaftspolitischen Fragen oder dem Umgang mit Flüchtlingen. Doch auch ein schwarz-grünes Bündnis schließt sie nicht aus. Dafür spräche etwa die erfahrungsgemäße Verlässlichkeit und Vertragstreue der CDU, sagte der Landesvorsitzende Sebastian Lüdecke.

Ein bereits bei einem Parteitag im Juli 2014 vorgelegter brisanter Antrag wurde erneut vertagt. Der Kreisverband Harz will, dass sich die Partei nicht an einer Landesregierung beteiligt, die auch ohne die Grünen eine eigene Mehrheit hätte.

Begründet wird das auch mit dem Satz: "Ein solcher Partner ist für die Regierungspolitik mit verantwortlich, ohne aber eine strukturelle Möglichkeit zu haben, einen zwingenden Einfluss auf die Regierungspolitik ausüben zu können." Auch die Beteiligung an einer Minderheitsregierung soll laut Antrag ausgeschlossen werden. In der Grünen-Landesspitze findet dieser Vorschlag keine Unterstützung. Dort hält man es für falsch, von vornherein Koalitions-Optionen auszuschließen.

Grünen-Landeschefin Cornelia Lüddemann warb vehement für einen Politikwechsel. "Dieses Kabinett des Grauens gehört abgewählt", rief sie den Delegierten zu. Nur starke Grüne könnten ein "Weiter so" mit dieser "unsäglichen Koalition" verhindern. "Eine Regierung ohne die CDU ist nicht nur vorstellbar, sie ist möglich und bitter, bitter nötig." Sie knöpfte sich die Ministerriege vor. Also: Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) "weiß wahrscheinlich immer noch nicht genau, wo Sachsen-Anhalt anfängt und aufhört, und was er eigentlich hier soll." Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) brauche sich in keinem Theater und bei keiner Schulelternvertretung mehr sehen lassen.

Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) wiederum "erlässt seinen Freunden willkürlich Steuern"; Verkehrsminister Thomas Webel (CDU) hänge nach wie vor dem Gedanken an, "sechsspurige Autobahnen bis ins allerletzte Dorf seien ein Menschenrecht". Und Innenminister Holger Stahlknecht (CDU)? Der übernehme zwar die Grünen-Worte Ankommens- und Bleibekultur, verteidige aber Abschiebungen und zeige keine Aktivitäten für ein modernes Einwanderungsgesetz. Und: "Stahlknecht unterscheidet nach wie vor in zynischer und menschenverachtender Weise zwischen guten und schlechten Zuwanderern."

Die Bundestags-Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, forderte eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes an der Unterbringung von Flüchtlingen. Der Bund übernehme derzeit nur fünf Prozent der Gesamtkosten von Unterkunft bis hin zu Sprachkursen, sagte Göring-Eckardt als Gastrednerin beim Parteitag. "Das kann so nicht sein." Die Kommunen stünden derzeit vor riesigen Aufgaben bei der Flüchtlingsversorgung, sagte die Bundespolitikerin.

Grünen-Fraktionschefin Dalbert sagte: "Jeder, der zu uns kommt, ist ein Geschenk für Sachsen-Anhalt."

Um die sieben Prozent plus X zu erreichen, wollen die Grünen zudem mit Bildungsthemen, einer Abkehr von der Massentierhaltung und einer Ankommens- und Bleibekultur für Zuwanderer und Flüchtlinge punkten. So soll nach Willen der Grünen die Gentechnik von den Äckern im Land verbannt werden. "Wir müssen einen guten Wahlkampf machen, denn ein gutes Ergebnis wird nicht vom Himmel fallen", sagte Dalbert.

Katrin Göring-Eckardt betonte, die Grünen sollten Sachsen-Anhalt 2016 in eine andere Richtung führen: "Es lohnt sich zu regieren." Mit Blick auf die Wahlkampfführung für die Bundestagswahl ein Jahr später sagte sie: "Wir werden nicht wieder mit erhobenem Zeigefinger rumlaufen."