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Jurassic Harz Die Dinosaurier vom Brocken

Vor 154 Millionen Jahren war der Harz eine Insel von der Größe Mallorcas. Hier lebte eine einzigartige Art von Dinosauriern.

18.08.2015, 07:11

Goslar l Rund 300 Kilometer liegt der Steinbruch Langenberg bei Goslar vom Meer entfernt. Kaum zu glauben, dass es hier im Oberjura (vor etwa 163 bis 152 Millionen Jahren) eine Insel gab, die mitten im Ozean lag. "Das Klima war damals weltweit warm", sagt Ulrich Joger, Museumsdirektor am Naturhistorischen Museum in Braunschweig. Ganz Europa hätte viel näher am Äquator gelegen.

Für die riesigen Langhals-Dinosaurier, die zu der Zeit lebten, bot das tropische Umfeld keine idealen Bedingungen. Farne und Nadelgewächse waren zwar vorhanden, aber nicht genug, um die Dinos zu ernähren. "Die Tiere mussten sich den Gegebenheiten anpassen", sagt Sebastian Radecker, Präparator am Naturhistorischen Museum. Innerhalb von zwei bis drei Generationen schrumpften sie deshalb in etwa auf Größe und Gewicht eines Kleinwagens. Zum Vergleich: Ein voll ausgewachsener Sauropode brachte knapp 80 Tonnen auf die Waage und war bis zu 45 Meter lang.

Der Besitzer des Steinbruchs alarmierte im Jahr 1998 die Forscher, als er beim Zerkleinern des Gesteins ein Fossil fand (siehe Karte). Ein echter Glücksgriff für die Forscher, denn über den Europasaurus war bisher nichts bekannt. "Das ist der einzige Dinosaurierfund im Jura Norddeutschlands", erklärt Ulrich Joger. Sobald die Arbeiten im Steinbruch die Gesteinsschichten erreichen, die wahrscheinlich fossilführend sind, rückte die "Task Force Dino" aus. Gesteinsbrocken, aus denen versteinerte Knochen herausragen (zu erkennen an der unterschiedlichen Farbe), wurden markiert und aus dem Steinbruch zum Dinosaurierpark Münchehagen und von da aus zum Naturhistorischen Museum Braunschweig gebracht. "Dann fängt die mechanische Präparation an und das kann mehrere Monate dauern", sagt Sebastian Radecker. Vor ihm liegen noch immer drei Tonnen an Material, in denen eventuell Überreste des Europasaurus zu finden sind.

Schnell entwickelt, schnell ausgestorben
"Es wurden schon Knochen von mehr als zehn Individuen unterschiedlichen Alters gefunden", sagt Museumsdirektor Joger. Damit konnte das komplette Skelett rekonstruiert werden. Die mühsame Arbeit wird mit groben und feinen Druckluftmeißeln durchgeführt. Die Arbeit gleicht dabei einem Glücksspiel, denn ob sich darin wirklich Knochen verbergen, wissen die Präparatoren erst nach der Arbeit. "Momentan ist das noch alles Handarbeit, es gibt zwar schon Mikro-Computertomographien, aber das ist zu teuer", sagt Sebastian Radecker zu den Fortschritten der Forschung. Mit Hilfe von Abdrücken oder 3D-Druckern können Dinosaurier-Skelette dann rekonstruiert werden. Die Körperform gibt Rückschlüsse auf das Leben der Mini-Dinos.

So schnell sich der Europasaurus im Harz entwickelt hatte, so schnell starb er auch wieder aus. "Die Insel ist entweder verschwunden oder hat Kontakt zum Festland bekommen", sagt Ulrich Joger. Die meisten Inseltiere seien ihren Artgenossen am Festland unterlegen. Höchstwahrscheinlich haben sie in Herden gelebt und sich lange um ihre Jungtiere gekümmert. All diese Informationen verrät der Steinbruch Langenberg den Forschern. "Hier gibt es heute 500 Millionen Jahre Erdgeschichte in weniger als 100 Metern zu bestaunen", erklärt Ulrich Joger die Besonderheiten des Harzgesteins. Die Gesteinsschichten, die ansonsten nicht zugänglich seien, sind an die Oberfläche gekommen. Eine echte geologische Besonderheit. Wer hofft, bei einer Wanderung über den Brocken die Überreste von Dinosauriern zu finden, hat vermutlich schlechte Karten.

"Der Brocken ist Granit, also altes Eruptionsgestein ohne Fossilien", erklärt Ulrich Joger. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um maritime Sedimente. "Harz-Touristen wandern also auf altem Meeresboden", sagt Ulrich Joger. Das Forschungsprojekt "Europasaurus" läuft Ende August aus. Die Fossilien werden dann zwar weiterhin präpariert, aber nicht mehr in der Intensität wie bisher.

Ein Schädel des Europasaurus ist im Naturhistorischen Museum Braunschweig zu sehen. Im Dinopark Münchehagen können Besucher die Präparation live verfolgen.