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Asylbewerber Mythen über Flüchtlinge im Faktencheck

19.08.2015, 19:56

Asylbewerber und Flüchtlinge nehmen den Deutschen die Arbeit weg, bekommen zu viel Geld und sind schlecht ausgebildet. Stimmt das?

Nehmen Asylbewerber uns die Arbeitsplätze weg?
Formal dürften Asylbewerber nach drei Monaten eine Arbeitserlaubnis bekommen. Allerdings entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über den Asylantrag im Schnitt binnen 7,1 Monaten. Solange der Status ungeklärt ist, halten sich Arbeitgeber mit einer Anstellung zurück. Zudem prüft die Bundesagentur für Arbeit (BA) in vielen Fällen, ob eine Stelle von einem Deutschen oder EU-Bürger besetzt werden kann. Das entfällt bei Branchen, in denen Personalmangel herrscht. In Sachsen-Anhalt mangelt es an Medizinern, Kankenpflegern und Sofwareentwicklern. Gesucht werden verstärkt auch Klempner und Elektrotechniker. Im vergangenen Jahr sind nach Angaben der BA-Regionaldirektion 784 Arbeitsgenehmigungen erteilt worden. 567 Anträge wurden abgelehnt.

Geht es den Arbeitslosen in Deutschland finanziell schlechter als Asylbewerbern?
Flüchtlinge leben zu Beginn in der Zentralen Aufnahmestelle, später werden sie in Städten und Landkreisen untergebracht. Einem Elternpaar mit zwei Kindern zwischen sechs und 14 Jahren stehen monatlich 432 Euro für den täglichen Bedarf zu. Ist sie nicht in einer Aufnahmeeinrichtung, sondern in einer Wohnung untergebracht, kommen für die Familie noch 688 Euro für Nahrungsmittel, Kleidung und Haushaltsgüter hinzu.

Eine entsprechende vierköpfige Familie, die Arbeitslosengeld II bezieht, erhält 1254 Euro plus Zuschüsse für Unterkunft und Heizung.

Wie kann man sich als Flüchtling ein Smartphone leisten und dazu noch eine Flatrate?
In Afrika und dem Nahen Osten ist die Verbreitung von Smartphones sehr weit fortgeschritten. Die Handy-Hersteller verkaufen abgespeckte Versionen ihrer Geräte zu günstigeren Preisen. Fast alle Flüchtlinge besitzen ein Handy oder Smartphone. Das ist kein Luxusartikel. Solche Geräte ersetzen in Afrika auch die Bank, den Computer, das Radio und das Wörterbuch. Die Flüchtlinge telefonieren mit Hilfe der Smartphones mit ihren Familien per Internet mit Skype, Whatsapp oder Viber weit günstiger als übers Festnetz. Daten-Tarife mit Prepaidkarte sind inzwischen überall günstig zu haben. Kostenlose Wlan-Hotspots gibt es in Bahnhöfen, Fastfood-Filialen und Cafés.

Gekauft werden die Geräte bereits im Heimatland. Die Smartphones, mit GPS ausgestattet, helfen den Flüchtlingen, sich auf der Flucht zu orientieren. Per Mobiltelefon erfahren die Menschen, wo und wann sie die nächste Etappe ihrer Flucht antreten und wo sie die Nacht verbringen.

Haben Flüchtlinge eine schlechte Schulbildung?
Für Menschen, die Schutz brauchen, spielt ihre Schulbildung keine Rolle. Um zu verstehen, wer in Deutschland ankommt, erfragt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dennoch Bildungshintergründe bei den eintreffenden Flüchtlingen. Für 2014 ergibt sich: 35 Prozent dieser Menschen haben eine Mittelschule, 16 Prozent ein Gymnasium besucht, 15 Prozent haben studiert. Rund ein Viertel der Menschen hat eine Grundschule besucht. Etwa jeder zehnte gab an, keine Schulbildung vorzuweisen. Auch in der Zast in Halberstadt sind vom ungelernten Armeeflüchtling, einfachem Bauer bis studierten Fachleuten die verschiedensten Menschen anzutreffen.

Kommen fast nur junge Männer, aber keine Familien zu uns?
Das stimmt. Das liegt daran, dass eine Einreise in die EU als Flüchtling legal praktisch unmöglich ist. So sind Asylsuchende auf Schlepper angewiesen. Für den gefährlichen Land- oder Seeweg wählen die Familien in den Heimatländern den Stärksten aus. Laut Aufenthaltsgesetz dürfen als Asylberechtigte oder als Flüchtling anerkannte Menschen ihre Familien unter bestimmten Voraussetzungen nachholen.

Wird Deutschland von Asylbewerbern regelrecht geflutet?
Deutschland hat im vergangenen Jahr 203 000 Asylbewerber registriert. In dem Jahr wurden 129 000 Anträge entschieden, davon rund 40 500 im Sinne der Antragsteller. In diesem Jahr rechnet die Bundesregierung mit 800 000 Asylbewerbern. Aber nicht alle dürfen in Deutschland bleiben. Als Flüchtlinge anerkannt werden nach Zahlen des BAMF vor allem Menschen aus Syrien, Irak, Afghanistan, Eritrea und Somalia.

Syrer brauchen Schutz. Der Balkan dagegen gilt als sicher. Kommen von dort nicht die meisten Asylsuchenden?
Tatsächlich verzeichnen die Behörden bundesweit am meisten Flüchtlinge aus Syrien, Albanien, dem Kosovo sowie Afghanistan, Eritrea und Somalia. Von 179 000 Asylanträgen im ersten Halbjahr in Deutschland stammten 80 000 von Bürgern aus Balkanländern, die vor allem wirtschaftliche Motive (Arbeitsplatz, Gesundheitsversorgung, Bildungschancen, Transferleistungen) treiben. Während Syrer und Afghanen in Deutschland Schutz erhalten, werden Menschen vom Balkan in der Regel abgelehnt -abgesehen von Einzelfällen im Bereich von unter ein Prozent.

Werden abgelehnte Asybewerber überhaupt abgeschoben?
Bis Anfang August hat Sachsen-Anhalt in diesem Jahr laut Innenministerium insgesamt 402 Ausländer abgeschoben, deren Asylanträge ohne Erfolg blieben. Im gesamten Vorjahr wurden 628 Asylbewerber abgeschoben. 4307 Menschen mit abgelehnten Asylanträgen hatten Anfang August eine Duldung, das heißt, ihre Abschiebung wurde vorübergehend ausgesetzt. Gründe können sein, dass der Flüchtling schwer erkrankt ist, keinen Pass besitzt oder sich sein Herkunftsland weigert, ihn wieder einreisen zu lassen.

Warum kann man Menschen aus Osteuropa nicht binnen weniger Tage einfach zurückschicken?
Selbst Bürger aus sicheren Herkunftsländern, wie etwa Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien, können nicht einfach abgeschoben werden. Jeder Asylbewerber in Deutschland muss juristisch die Chance bekommen, darzulegen, dass er - abweichend von der allgemeinen Lage in seiner Heimat - doch mit Verfolgung rechnen muss. In der Regel sind solche Asylverfahren aber schnell beendet.

Warum verzögert sich denoch eine Abschiebung?
Wenn sein Asylantrag abgelehnt wurde, kann ein Betroffener dagegen vor Gericht ziehen und klagen. Davon machen in Sachsen-Anhalt immer mehr Flüchtlinge Gebrauch. Darunter sind viele Menschen aus den Balkanstaaten, die fast nie als Asylbewerber anerkannt werden, bis zu einer Entscheidung aber nicht abgeschoben werden. Beim Verwaltungsgericht in Magdeburg gab es im ersten Halbjahr 1665 Fälle zum Thema Asyl. Um die zunehmenden Klagen abarbeiten zu können, wurde in diesem Sommer das Personal aufgestockt.

(mit Material von dpa, MDR, Handelsblatt und Süddeutscher Zeitung)