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Schlechte musische Bildung im Kindesalter Chöre im Land haben Nachwuchssorgen

23.02.2011, 04:34

Von Doreen Fiedler

Magdeburg (dpa). In Sachsen-Anhalt wird immer weniger zusammen gesungen und jubiliert. "Die Zahl der Chöre hat in den vergangenen Jahren abgenommen, jedes Jahr melden sich zwei oder drei Chöre ab", sagte Landeschorleiter Enrico Rummel. Überall seien die Chöre überaltert, vor allem die Männerchöre fänden kaum noch junge Tenöre und Baritone.

Beim Chorverband Giebichenstein (36 Mitgliedschöre) etwa sind zwei Drittel der Sänger im Rentenalter. Probleme vermeldet auch der evangelische Landeskirchenmusikdirektor Dietrich Ehrenwerth: "Vor allem auf dem Land haben wir Nachwuchssorgen. Die Jungen ziehen in die Städte."

Mangel an Chorleitern

Besonderes Kopfzerbrechen bereitet Landeschorleiter Rummel, der über 400 Chöre in Sachsen-Anhalt musikalisch betreut, der Mangel an Chorleitern. "Im Großraum Halle lässt sich das durch die Musikstudenten kompensieren, aber im Burgenland oder in der Altmark haben wir nicht viel Nachwuchs." Bei der Volkssolidarität in Sachsen-Anhalt sieht es ähnlich aus: Zu den 65 Chören und Singgruppen im Land könnten durchaus noch weitere kommen. "Wenn ich aus dem Hut fünf oder zehn Chorleiter zaubern könnte, würden wir für sie schon Chöre zusammenfinden", sagte ein Sprecher.

Viele der befragten Chorleiter sehen den Grund für den Nachwuchsmangel in der schlechten musikalischen Bildung in Kitas und Schulen. "In den Kindergärten haben die Betreuerinnen meist nicht die Ausbildung, um alters- und stimmgerecht zu singen. Und in den Grundschulen führen fehlende Musiklehrer dazu, dass fachfremd unterrichtet wird", beklagte Peter Habermann, der Chorleiter des berühmten Rundfunk-Jugendchors Wernigerode. Dazu gebe es immer weniger Familien, die genügend Zeit und Geld für die musische Förderung ihrer Kinder hätten.

Anders als die Jedermann-Chöre können die professionellen und semi-professionellen Chöre laut Habermann genügend Sänger finden. Das bestätigt die Geschichte des Kammerchors Benevocale in Halle: 2005 musste sich das Vokalensemble wegen Mitgliedermangels auflösen. Doch schnell darauf fanden sich junge Männer und Frauen, die in einer Oper miteinander sangen, und gründeten den Kammerchor erneut. "Große Chöre sind nett, aber jetzt haben wir etwas Eigenes und können selbst entscheiden, was und wie wir singen", erzählte Benevocale-Mitglied Stefan Mergell begeistert.

Wo das Niveau hoch ist, finden sich auch anspruchsvolle Sänger. Eckart Zeidler etwa, der seit 1964 den Gemischten Chor Egeln leitet, musste noch nie um Nachwuchs kämpfen. Auch am Landesjugendchor Sachsen-Anhalt ist das Interesse der jungen Gesangstalente ungebrochen. Die Zahl der Teilnehmer bei den Aufnahmeprüfungen sei gleichbleibend hoch, sagte der künstlerische Leiter Wolfgang Kupke.

Sing-Projektwochen begeistern

Einige Lichtblicke gibt es auch bei der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands. Chore würden im Gospelbereich und bei Musicals neu gegründet, sagte Ehrenwerth. Und viele Kinder könnten für Sing-Projektwochen begeistert werden.

Wie die meisten seiner Kollegen möchte auch Landeschorleiter Rummel so früh wie möglich ansetzen, um künftige Sänger zu gewinnen: "Wenn die Kinder von klein auf mit der Musik groß werden, dann ist für sie Musik eine Selbstverständlichkeit, dann bleiben sie dem Singen treu und schließen sich später einem Chor an.