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Interview mit Bischof Gerhard Feige: "Kirche in einer Glaubenskrise"

28.05.2011, 04:28

Mehr als 100 Vertreter aus dem Bistum Magdeburg hat der katholische Bischof Gerhard Feige heute zu einer Bistumsversammlung eingeladen, um aktuelle Fragen der Kirche zu besprechen. Dabei wird es auch um das im Februar veröffentlichte Memorandum prominenter Theologieprofessoren und die Gegenstellungnahme gehen. Die Versammlung versteht sich als Beitrag zum Dialogprozess in der katholischen Kirche. Volksstimme-Redakteurin Silke Janko sprach dazu mit Bischof Feige.

Volksstimme:Herr Bischof, in dem von mehr als 200 Theologieprofessoren initiierten Memorandum wird von einer Glaubenskrise gesprochen. Die Unterzeichner fordern nach den zahlreichen bekannt gewordenen Missbrauchsfällen Reformen. Ist die Institution Kirche beschädigt?

Bischof Gerhard Feige: Nach dem wirklich schwierigen vergangenen Jahr gab es einen Brief prominenter CDU-Politiker, das Memorandum und die Initiative "Pro Ecclesia". Dies zeigt, dass viele Fragen im Raum stehen und dass es in der katholischen Kirche sehr unterschiedliche Ansichten gibt. Manchmal wird dabei stark polarisiert. Ich halte es für wichtig, dass wir einen wirklichen Dialog führen und nicht einen ideologischen Schlagabtausch.

Ich sehe im Hintergrund der Auseinandersetzung einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel mit einer Glaubens- und Gotteskrise. Seit dem zweiten Vatikanischen Konzil sind Jahrzehnte vergangen. Das Konzil hat die Kirche damals beschrieben als eine Kirche, die immer erneuert werden muss. Nur so kann sie ihrer Aufgabe in der jeweiligen Zeit gerecht werden. Eine solche Notwendigkeit sehe ich auch heute.

Volksstimme:Worin sehen Sie denn die Ursachen für die Glaubenskrise?

Bischof Feige:Einerseits schreitet bei uns die Säkularisierung weiter voran, andererseits finden religiös Suchende nicht unbedingt zu christlichen Gemeinden. Manche weltanschaulichen Vorstellungen sind auch sehr diffus. Zudem versteht sich Kirche nicht als Dienstleistungsorganisation für irgendwelche religiöse Bedürfnisse, sondern ist wesentlich ihrem Gründer verpflichtet. Wir können uns nicht einfach Mehrheitsmeinungen anpassen oder jedem Wunsch entsprechen oder jedem Trend folgen. Mitunter sehen wir uns in der Pflicht, auch unangenehme Wahrheiten zu sagen. Wichtig ist aber auch, nicht stur auf alten Positionen zu beharren, sondern im Geist Jesu Christi zu Veränderungen bereit zu sein.

Volksstimme: Im Kern der Forderungen steht aber die Abschaffung des Zölibats und die Zulassung von Frauen zum Priesteramt. Würden Sie so weit gehen?

Bischof Feige:Ich frage mich schon, ob das die eigentlichen Themen sind. In verschiedenen anderen Kirchen ist das alles umgesetzt. Probleme gibt es aber auch dort, oft sogar ähnliche wie in der katholischen Kirche. Für mich steht darum die Frage im Raum: Wenn alles umgesetzt würde, was die Autoren des Memorandums anregen, sind wir dann tatsächlich glaubwürdiger und überzeugender? Zu beachten ist auch, dass wir als katholische Kirche eine Weltkirche sind. Es gibt Themen, die nur weltkirchlich gelöst werden können. Da kann es keinen deutschen Sonderweg für unsere Problemanzeigen geben.

Volksstimme: Warum ist die Bistumsversammlung einberufen worden - wegen der aktuellen Diskussion um das Memorandum und pro ecclesia?

Bischof Feige: Nein, unter meinem Vorgänger, Leo Nowak, gab es ein Pastorales Zukunftsgespräch und in diesem Zusammenhang auch mehrere große Versammlungen, die letzte im Jahr 2004. Inzwischen sind sieben Jahre vergangen und unsere Situation hat sich erneut verändert. Die Idee zu einer Bistumsversammlung gab es schon im vergangengen Jahr. Wir wollen sehen, wo wir stehen, was uns bewegt und wie wir noch besser mit den gegenwärtigen Voraussetzungen umgehen können.

Hinzugekommen ist schließlich die gesamtdeutsche Diskussion in der katholischen Kirche und der Aufruf von Erzbischof Zollitsch, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, einen strukturierten Dialog in der katholischen Kirche zu führen. Keine Frage, dass sich die Bistumsversammlung auch als ein Beitrag zu dieser Initiative versteht.

Volksstimme: Wer gehört der Bistumsversammlung an?

Bischof Feige: Die Versammlung repräsentiert das Bistum sehr gut. Zu den 130 Teilnehmern gehören die Pfarrer unserer 44 Pfarreien, gleichzeitig aber auch 44 Sprecher und Sprecherinnen unserer Pfarrgemeinderäte. Sie sind gewählte Mitglieder unsere Gemeinden - so dass man nicht von einem Klerikalismus reden kann. Außerdem werden Vertreter unserer Einrichtungen - Schulstiftung, Caritasverband, katholisches Büro etc. - mit dabei sein. So dass das Bistum wirklich gut repräsentiert ist und sich nicht eine handverlesene Schar trifft, die dem Bischof nach dem Munde redet.

Die Bistumsversammlung wird für uns auch ein spannendes Abenteuer; nur der Rahmen ist festgelegt. Mit welchen Themen wir uns demnächst beschäftigen, wird erst die Auftaktveranstaltung ergeben. Gedacht ist, dass wir über ein Jahr an den Themen arbeiten und im Herbst 2012 versuchen, das Ganze zusammenzufassen.

Volksstimme: Seit der letzten Bistumsversammlung hat es eine Strukturreform gegeben mit Zusammenschlüssen von Pfarreien. Hat sich das bewährt?

Bischof Feige: Darüber werden wir reden müssen. Wir haben in den letzten Jahren große Veränderungen bewältigt. Strukturell ist vieles abgeschlossen, aber unsere Haltung, unsere Einstellung ist mitunter noch die alte. Wir müssen nun feststellen, wo die Probleme liegen. Wie ist zum Beispiel das Zusammenspiel der unterschiedlichen Gemeinden in ihrer neuen Pfarrei. Wir sind ja in der Fläche geblieben und haben die Gemeinden nicht aufgelöst. Sie sind jetzt aber Teil einer größeren Pfarrei. Die Spannung besteht nun darin zu entdecken und zu leben, was in einer Pfarrei gemeinsam zu tun ist, welche neuen Chancen darin liegen und wie auch Kirche vor Ort leben kann.

Volksstimme: Wird auch das Memorandum eine Rolle spielen?

Bischof Feige: Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Auf jeden Fall soll alles sehr offen ablaufen. Ich habe in der Fastenzeit einen Hirtenbrief an die Gemeinden geschrieben und mich damit zwischen die Fronten begeben. Weil mir die Polarisierung zu viel war, auch die gegenseitigen Verdächtigungen. In dem Brief habe ich versucht, deutlich zu machen, was zu einem wirklichen Dialog gehört.

Volksstimme: In der Missbrauchsdebatte zur katholischen Kirche war das Bistum Magdeburg weit weniger involviert. Im vergangengen August hatte das Bistum erklärt, Opfer sollten sich melden. Wie ist der Stand?

Bischof Feige:Wir hatten damals erklärt, die der Bistumsleitung bekannten Anzeigen erstrecken sich über einen Zeitraum von 60 Jahren und betreffen acht Beschuldigte. Sechs von ihnen waren Priester, vier sind bereits verstorben. Und die Vergehen der beiden anderen waren im vergangenen Sommer nach staatlichem und kirchlichem Recht aufgearbeitet. Sie sind in keiner Gemeinde mehr tätig. Auf unsere letzte Aufforderung hin haben sich keine weiteren Opfer mehr gemeldet.