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  5. Kirchenmitarbeiter aus ganz Deutschland demonstrieren für Grundrecht auf Streik

EKD-Parlamentsvorsitzende Göring-Eckardt räumt ein: "Es läuft verdammt viel schief" Kirchenmitarbeiter aus ganz Deutschland demonstrieren für Grundrecht auf Streik

Von Winfried Borchert 05.11.2011, 04:24

1500 Mitarbeiter kirchlicher Betriebe haben gestern in Magdeburg gegen ein von der Evangelischen Kirche geplantes Streikverbot demonstriert. Sie forderten bessere Löhne und Arbeitsbedingungen.

Magdeburg l Die Mitarbeiter von kirchlichen Krankenhäusern, Pflegeheimen oder ambulanten Diensten aus ganz Deutschland waren einem Aufruf der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gefolgt. Diese nimmt seit drei Jahren die Sonderrechte kirchlicher Arbeitgeber wie Diakonie und Caritas ins Visier, bei denen etwa 450 000 Menschen unter eingeschränkten Tarifrechten und laut Verdi oft zu schlechteren Löhnen als im öffentlichen Dienst arbeiten.

Mit einem Beschluss, den die in Magdeburg tagende Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Montag fassen will, soll Mitarbeitern zudem dauerhaft das Grundrecht auf Streik entzogen werden. Die EKD will mit dem Beschluss offenbar ihre Position in zwei Prozessen verbessern, in denen die Landesarbeitsgerichte Hamm und Hamburg Kirchenmitarbeitern das Streikrecht zuerkannt haben. Die Kirchen gehen gegen diese Urteile vor dem Bundesarbeitsgericht vor.

Die EKD beansprucht für sich Sonderrechte religiöser Gemeinschaften, spricht von "tätiger Nächstenliebe" als "unverfügbarem Auftrag". Ihrer Auffassung nach widersprächen Streiks "dem kirchlichen Prinzip der friedlichen Konfliktlösung".

Verdi-Chef Frank Bsirske hielt dem entgegen, kirchliche Betriebe seien "stinknormale Arbeitgeber", oft "Konzerne und Aktiengesellschaften mit Millionengewinnen". Wenn der Chef einer solchen Firma sich vor Gericht mit dem Satz herausrede, Gott könne nicht bestreikt werden, "stellt sich die Frage, ob es nicht Gotteslästerung ist, wenn dieser Geschäftsführer sich für Gott hält", sagte Bsirske unter lautstarkem Beifall.

Viele Mitarbeiter sind nicht länger bereit, die Situation klaglos hinzunehmen. "Die Schere zwischen Löhnen des öffentlichen Dienstes und unseren geht immer weiter auseinander", sagte eine Demonstrantin der Volksstimme, die in einer Einrichtung der evangelischen Kirche in Stendal arbeitet und nicht genannt werden wollte. Die von der Kirche propagierte kollektive Lohnfindung funktioniere nicht.

"Viele Kollegen haben sich aus den Kommissionen zurückgezogen, weil sie merkten, dass sie nichts bewirken", sagte Steffen Podstawa, Krankenpfleger der Paul-Gerhardt-Stiftung Wittenberg.

Katrin Göring-Eckardt, die Vorsitzende des EKD-Parlaments, räumte in einer Ansprache ein, es laufe in Kirchenbetrieben "verdammt viel schief" und versprach: "Ihre Forderungen werden Bestandteil unserer Diskussion am Montag sein." Seite 5