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Experten vermuten, das schätzungsweise eineinhalbjährige Tier stammt vom Truppenübungsplatz Altengrabow Fotobeweis: Erster Wolf im niedersächsischen Wendland gesichtet

Von Björn Vogt 10.12.2011, 04:23

Dannenberg l Wolfsberater Kenny Kenner ist wie elektrisiert, als er hört, dass es ein beglaubigtes Foto vom Wolf im Wendland gibt. Es ist der erste fotografische Nachweis eines lebenden Wolfes im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg und Beleg dafür, dass der große Beutegreifer uralte Wolfswechsel wieder benutzt.

Dienstag, 29. November: Genau einen Tag nach dem Ende des Castor-Transportes war es Nicole Münzel aus Zadrau, die den Wolf morgens gegen 8 Uhr auf einem mit Raureif überzogenen Feld als erste sah. "Das war für mich ein spirituelles Erlebnis", zeigt sich die junge Frau begeistert von ihrer kurzen Begegnung mit Isegrim. Genau eine Stunde später gelang das Foto von dem hellbraunen Tier - an der Kreisstraße K1, mitten in der Feldmark. "Es ist sehr ungewöhnlich für einen Wolf, dass er sich tagsüber zeigt", berichtet Wolfsexperte Markus Bathen vom NABU: "Ich vermute, dass er durch die Auseinandersetzungen um den Castor-Transport im Wald aufgeschreckt wurde und deswegen seine Deckung aufgab." Auch ein Reh, welches in der Nähe äst, bemerkt nicht, wer sich da nähert - aber der Wolf macht keine Anstalten, das Tier zu jagen, er trollt sich.

Kurz darauf wird das Tier von Erwin Schumacher am Dannenberger Krankenhaus beobachtet und mit dem Auto mit eingeschalteter Warnblinkanlage ein Stück weit begleitet. Schumacher informiert Kreisveterinärin Birgit Mennerich-Bunge, die augenblicklich losfährt, um Spuren zu sichern. Leider finden sich keine Abdrücke, da es zu kalt ist an diesem Tag. Wolfsexperten, darunter Gesa Kluth vom wildbiologischen Büro LUPUS aus Sachsen und Markus Bathen vom NABU, können die Fotos des Wolfes zweifelsfrei identifizieren.

"Das ist ein (wissenschaftlich international anerkannter) C1-Nachweis eines Wolfes im Wendland", freut sich die Kreisveterinärin, die sich für ein friedliches Miteinander von Wolf und Mensch einsetzt. Auf seiner Route durch die Dannenberger Feldmark hat der Jäger vermutlich Anschluss an die Göhrde, den größten Wald Niedersachsens.

Der eingangs erwähnte Öko-Hotelier Kenny Kenner hat den Wolf selber noch nie zu Gesicht bekommen, obwohl er seit über zehn Jahren als ehrenamtlicher Wolfsberater der Landesregierung im Bereich Göhrde tätig ist. Besonders beliebt sind seine Gästeführungen zum Thema Wolf.

Die Hinterlassenschaften von Isegrim konnte Kenner dagegen schon oft einsammeln: "Die Losung lassen wir analysieren, ob sie vom Wolf stammt."

Für Deutschlands führende Wolfsforscherin Gesa Kluth handelt es sich bei dem fotografierten Wolf vermutlich um ein anderthalbjähriges Jungtier, das aus Sachsen-Anhalt in die Göhrde wechselte. Das nächste Gebiet mit einem etablierten Wolfsrudel liegt rund 180 Kilometer entfernt auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow (Jerichower Land) an der Grenze zu Brandenburg.

Ein Wolf kann eine solche Distanz in wenigen Tagen überwinden. Bauer Hans-Jürgen Rehbeck aus Weitsche berichtet von einem uralten Wolfswechsel, der die großen Waldgebiete und die Feldmark durchzieht. Dieser Pass, jahrzehntelang durch den eisernen Vorhang unterbrochen, wurde in diesem Jahr nachweislich auch von der besenderten Wolfsfähe Zora aus Altengrabow benutzt, deren Spur sich seit Juni bei Bleckede verliert.

In Sachsen-Anhalt sind die Wölfe seit dem Jahr 2008 wieder heimisch - neben einem Rudel auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow ein Einzeltier auf dem Übungsplatz Annaburger Heide (Landkreis Wittenberg). Die Jungtiere aus Altengrabow der vergangenen Jahre sind zum Teil westwärts abgewandert. Von den zwei besenderten Jungtieren des vergangenen Jahres hält sich gegenwärtig nur noch eines bei Altengrabow auf.