1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Fangprämien für Patienten sind "gängige Praxis"

Studie der Hallenser Universität im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes Fangprämien für Patienten sind "gängige Praxis"

Von Silke Janko 23.05.2012, 05:21

Parallel zum Auftakt des Deutschen Ärztetages in Nürnberg holt der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen zum Schlag gegen die Ärzteschaft aus und präsentiert eine Studie, nach der "Fangprämien" für Patienten keine Einzelfälle seien.

Berlin/Magdeburg l "Fangprämien sind im deutschen Gesundheitswesen keine Ausnahme, sondern gängige Praxis, so beschreiben niedergelassene Ärzte, leitende Angestellte von stationären Einrichtungen sowie nicht-ärztliche Leistungserbringer die aktuelle Versorgungssituation. Statt medizinischer Argumente entscheiden offenbar oft Prämiengelder oder Sachleistungen zu welchem Arzt, zu welcher Klinik oder welchem Heilmittelerbringer Patienten gelenkt werden", teilte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) gestern in Berlin mit.

Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, sagte: "Im deutschen Gesundheitswesen besteht gegenwärtig erhebliches Korruptionspotenzial." Wenn jeder fünfte Arzt die berufsrechtlichen Verbote nicht kenne und zugleich Zuweisungen gegen Geld als selbstverständlich ansehe, sei das ein Skandal. Hochgerechnet auf alle niedergelassenen Ärzte hieße das, dass heute rund 27000 ambulant tätige Vertragsärzte gegen das Berufsrecht verstoßen würden.

Die Studie im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes wurde vom Economy Crime Research Center der Martin-Luther-Universität Halle erstellt. Dazu wurden im Herbst 2011 bundesweit 1141 niedergelassene Fachärzte, leitende Angestellte von Kliniken sowie nicht-ärztliche Leistungserbringer befragt. Die Studie basiert auf einer Selbst- und Brancheneinschätzung der Befragten. Danach gaben 14 Prozent der befragten Ärzte an, wirtschaftliche Vorteile gegen Zuweisungen zu erhalten. Noch gravierender sei laut Studie die Praxis bei den nicht-ärztlichen Leistungserbringern, wo knapp jeder zweite Befragte (46 Prozent) von Extra-Honoraren für die überweisenden Ärzte berichtet. Und jede vierte Klinik (24 Prozent) bezeichneten die "Fangprämien" als durchaus gängig.

Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery wies am Rande des Deutschen Ärztetages die Kritik der Kassen zurück. "Die Tatsache, dass sie es heute veröffentlichen, zeigt, dass sie ausschließlich den Zweck verfolgen, den Ärztetag und die Ärzteschaft zu stören. Das diskreditiert den Spitzenverband der Krankenkassen als ernstzunehmenden Verhandlungspartner." Burkhard John, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt, erklärte gegenüber der Volksstimme: "Das ist eine ziemliche Frechheit und eine Diffamierung der Ärzteschaft. Die Kassen behaupten etwas, ohne Ross und Reiter zu nennen." Die AOK Sachsen-Anhalt dagegen sieht in der Studie die Bestätigung, dass Fangprämien seit Jahren flössen, erklärte Sprecher Andreas Arnsfeld.Die Verfolgung solcher Fälle sei jedoch schwierig, weil der Beweis durch die Kassen nicht erbracht werden könne. Für mehr Rechtssicherheit könnte ein noch ausstehendes BGH-Urteil führen, das den Kassen die Verfolgung solcher Fälle ermögliche. Seite 4