Fachleute rechnen mit historischen Höchstständen an der Elbe / Katastrophenalarm in Magdeburg und Halle Hochwasser kommt noch heftiger als 2002
Magdeburg l Bis zum Wochenende rollt auf Sachsen-Anhalts Norden eine Flutwelle historischen Ausmaßes zu. Die Pegel werden die Stände von 2002 wohl deutlich übersteigen. Drei Deiche werden jetzt in einer Notaktion erhöht.
Fachleute der Hochwasserzentrale Sachsen-Anhalts rechnen in den nächsten Tagen mit historischen Höchstständen der Elbe. Laut aktueller Prognose wird der Fluss in Magdeburg (Strombrücke) am Donnerstag früh 6,90 Meter erreichen. Das sind fast zwanzig Zentimeter mehr als während der Jahrhundertflut 2002. Am Freitagabend kann der Pegel sogar auf 7,43 Meter klettern. Dies wäre das höchste bislang bekannte Sommerhochwasser. Heute früh löste die Stadt Katas-trophenalarm aus.
Noch höhere Fluten verhindert das Pretziener Wehr südlich Magdeburgs, das gestern Nachmittag gezogen wurde. Etwa ein Drittel der Wassermassen werden nun in den Ehle-Umflutkanal und somit um Schönebeck und Magdeburg herumgeleitet.
Auch für andere Elbanrainer werden Rekordstände erwartet. In Barby bei Magdeburg klettert der Pegel bis Donnerstag voraussichtlich auf 7,55 Meter. Das läge einen halben Meter über dem Wert von 2002 und würde sogar den Höchststand von 1845 übertreffen. In Barby mündet die Saale in die Elbe.
"Wir müssen fast überall mit Werten rechnen, die über denen von 2002 liegen", sagte Umweltminister Hermann Onko Aeikens (CDU) gestern Abend der Volksstimme. "Vorhersagen zu berechnen, ist aber derzeit äußerst schwierig." Da hänge auch vom Talsperrenmanagement der Nachbarländer ab - und vom Wetter. Gestern regnete es noch in Sachsen. "Wir sind in einer schwierigen Lage, aber wir sind besser gewappnet als 2002", meinte Aeikens.
Bis weit in die nächste Woche werden die Flutmassen an die Deiche drücken. Halten die Wälle? Seit 2002 wurden etwa zwei Drittel aller Elbdeiche auf den neuesten Stand gebracht. Das restliche Drittel sei aber nicht unsicher, sagte Aeikens, es fehlten oft nur Zufahrtswege. Die größten Schwachstellen liegen derzeit in Aken bei Dessau und in Demker bei Stendal. "Die Anlagen werden jetzt verstärkt", sagte Aeikens. Schon gestern seien Bautrupps ausgerückt. In Aken wird der zu niedrige Deich erhöht. Doch alles ist nicht zu schaffen. In Demker fehlen zwei Kilometer Deich. Bauleiter Matthias Müller ist froh, wenn er in den nächsten Tagen 700 Meter schafft.
Heikel kann es auch für die Gemeinden am Umflutkanal werden, durch den in den nächsten Tagen enorme Wassermassen strömen. Die Anlieger werden zwar durch Erdwälle geschützt. 2002 aber war ein Deichsiel bei Heyrothsberge gebrochen, wodurch viele Dörfer absoffen. Vor dem Hintergrund dieser Katastrophe entschied sich die Gemeinde Gerwisch gestern, den Deich mit Sandsäcken zu erhöhen. Viele Helfer in der Gemeinde halten die Lage für brenzliger als 2002 und sind daher über die ihrer Ansicht nach zu späten Vorwarnungen der Behörden entsetzt. Ein Deichbruch am Umflutkanal kann auch für Magdeburg gefährlich werden, da dann Wasser in den Osten der Stadt hineindrücken kann.
Die Internetseite der Vorhersagezentrale in Magdeburg war gestern stark überlastet, so dass die Daten meistens nicht abrufbar waren. Aeikens: "Wir arbeiten daran, das System zu verbessern."