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Magdeburg Zentrum für Studie Schirmchen gegen Schlaganfall

Menschen mit einer häufigen Herzrhythmusstörung haben ein erhöhtes
Schlaganfallrisiko. Deshalb erhalten sie meist Medikamente zur
Unterdrückung der Blutgerinnung. Eine Alternative kann ein kleines
Schirmchen sein, das Kardiologen minimalinvasiv ins Herz setzen.

Von Uwe Seidenfaden 02.01.2015, 02:28

Magdeburg l Das Herz ist ein bemerkenswert ausdauerndes Pumporgan, das bis zum Tod keine Pause kennt. Dennoch unterliegt es, wie auch der Rest des Körpers, dem altersbedingten Verschleiß. Bluthochdruck, Blutgefäßerkrankungen, Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus und einige Virusinfektionen tragen dazu bei. Die Folge sind unter anderem Herzrhythmusstörungen wie das sogenannte Vorhofflimmern. Dabei stellt ein Teil des Herzens, der Vorhof, seine Arbeit vorübergehend ein, er flimmert. "Nicht selten geschieht das, ohne dass der Patient davon etwas merkt", so Professor Rüdiger Braun-Dullaeus, Kardiologie-Direktor des Universitätsklinikums Magdeburg.

Durch das Vorhofflimmern besteht die Gefahr, dass Blutgerinnsel in den Vorhöfen entstehen und mit dem Blutstrom verschleppt werden. Besonders gefährlich ist die Übererregung (Flimmern) der linken Herzvorkammer. Dann kann ein Thrombus in die Blutgefäße gelangen, die das Gehirn mit versorgen.

Gerinnsel entsteht oftmals im Herzohr

Passt ein Blutgerinnsel nicht mehr durch die feinen Gefäßverästelungen im Gehirn, kommt es zu einer Unterbrechung der Blutversorgung in Teilen des Gehirns. Nervenzellen sterben binnen weniger Stunden unwiederbringlich ab. Der Betroffene hat einen sogenannten ischämischen Schlaganfall. Etwa jeder fünfte Schlaganfall wird durch ein verschlepptes Blutgerinnsel aus dem linken Herzvorhof verursacht.

Um einen Schlaganfall zu verhindern, wird Patienten mit Vorhofflimmern bislang die Einnahme von Blutgerinnungshemmern wie Falithrom empfohlen. "Das sind wirksame Medikamente, jedoch mit Nebenwirkungen wie Blutungen", sagt Braun-Dullaeus. Probleme haben insbesondere Menschen, die

gleichzeitig eine gestörte Nierenfunktion haben,

wegen chronisch-rheumatischer Schmerzen weitere Medikamente (sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika wie Ibuprofen) einnehmen,

bereits Hirn- oder Magenbluten hatten und

die ein höheres Lebensalter und einen schlechteren Gefäßzustand haben.

Diesen Patienten können Kardiologen einen minimalinvasiven Herzkatheter-Eingriff als Alternative anbieten.

Bereits Ende des 20. Jahrhunderts gelang es Medizinern in wissenschaftlichen Untersuchungen nachzuweisen, dass sich die meisten Blutgerinnsel, die einen Schlaganfall auslösen, in einer kleinen Grube am linken Herzvorhof bilden. Ähnlich wie der Blinddarm ist der wegen seiner Form auch Herzohr genannte Teil am Herzvorhof ein Überbleibsel der Evolution.

Er hat für den Menschen keine lebenswichtige Funktion. Das Herzohr wirkt auf den Blutstrom ähnlich wie die Buhnen an Flüssen und vor Meeresstränden. Es begünstigt die Entstehung von Ablagerungen (Blutgerinnsel). Durch das Vorhofflimmern können sich die Blutgerinnsel lösen und bis ins Gehirn gelangen.

"Verhindern lässt sich das durch den Einsatz eines kleinen Schirmchens in das Herzohr", sagt Braun-Dullaeus. In den vergangenen fünf Jahren ist dieser minimalinvasive Eingriff weltweit schon einige tausendmal durchgeführt worden. Das Implantat wird unter Kurznarkose und beim schlagenden Herzen mit einem Herzkatheter über die Leiste durch die Venen bis in das Herz gebracht. Dabei ist es bis auf eine Größe von etwa drei Millimetern zusammengefaltet.

Unter der Gabe eines Röntgenkontrastmittels schieben die Kardiologen das gefaltete Schirmchen in die linke Herzvorkammer und weiter in das linke Herzohr. In der richtigen Position öffnen sie das Schirmchen und trennen es vom Katheter ab. Es besteht aus einer speziellen Formgedächtnislegierung (Nitinol genannt), die sich von selbst wie ein Schirmchen öffnet.

Mit unscheinbar kleinen Widerhaken verankert es sich am Eingang zum Herzohr. Innerhalb von etwa drei Monaten wird das Schirmchen von neuem Gewebe überzogen, so dass Blut weder hinein- noch hinausgelangen kann.

Vorteile bereits drei Monate nach dem Eingriff

Ähnliche "Schirmchen" (medizinisch Occluder) verwenden Kardiologen auch, um angeborene Löcher in den Herzscheidewänden abzudichten.

"Bereits unmittelbar nach dem Verschluss des Herzohres können die Patienten auf Falithrom verzichten", so Braun-Dullaeus. Sicherheitshalber erhalten sie dann Medikamente mit geringerem Blutungsrisiko (Herz-ASS).

Bisherige Studien haben nachweisen können, dass bereits nach drei Monaten die Vorteile des Schirmchens im Herzen zum Tragen kommen. Über eine Studiendauer von fünf Jahren ist das Risiko eines Schlaganfalls durch das Schirmchen gleich gering wie durch Blutverdünnung mit Medikamenten (Falithrom oder Marcumar). Träger des Implantates haben zudem ein geringeres Blutungsrisiko.

Eine operative Entfernung des Herzohres wird wegen der höheren Gesundheitsrisiken nur im Rahmen anderer notwendiger herzchirurgischer Maßnahmen - etwa einer Bypass-OP - vorgenommen. Dabei hat sich gezeigt, dass nur die gesamte Entfernung des Herzohres, nicht aber eine Teil-entfernung oder das Abnähen des Herzohres, die Gerinnselbildung und Verschleppung in das Gehirn zu verhindern vermag.

Mehr Erkenntnisse erhoffen sich die Kardiologen des Uniklinikums von einer wissenschaftlichen Studie, für die in den nächsten zwei Jahren rund 250 Patienten rekrutiert werden sollen. Die Gesundheit der Patienten soll über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren verfolgt werden. Die Magdeburger Universitätsklinik für Kardiologie fungiert dabei als das führende Studienzentrum in Deutschland.