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Deep Purple Mehr Platten hat keiner

Thomas Hamann aus Stendal besitzt die wohl größte Deep-Purple-Plattensammlung der Welt. Am Sonnabend spielt die Band in Magdeburg.

Von Elisa Sowieja 14.11.2015, 00:01

Stendal l Sollte Thomas Hamann mal knapp bei Kasse sein, könnte er locker Besuchergruppen auf seinen Dachboden führen. Zwei, drei Euro Eintritt pro Person, das wäre völlig vertretbar. Denn diese Räume sind ein privates Deep-Purple-Museum. Allein, was da alles eingerahmt an den Wänden hängt: Tourplakate, signierte Schlagzeug-Überzüge, Gitarren-Plektren mit Band-Prägung, Songlisten von Konzertbühnen, das Programmheft zur Japan-Tour von 1975; sogar eine Filzstift-Zeichnung aus der Hand von Bassist Roger Glover ist dabei.

Am imposantesten ist aber die Masse an Platten, die sich in den drei Räumen in Regalen, Vitrinen und Bilderrahmen aneinanderreihen, alle von ein und derselben Band. Ihre Gesamtzahl: 3064 – in Worten dreitausendvierundsechzig!

„Ja, ich weiß: Das ist verrückt! Aber solange ich selbst darüber lachen kann, ...“ Kann er sogar sehr gut, beweist Hamann im selben Atemzug. Der 55-Jährige – Jeans, schicker Strickpulli, graumeliertes Haar – ist kein Angeber. Eher ein stolzer Schwärmer. Einer mit Ordnungssinn: Jede seiner Platten hat er am Computer in einer Liste fixiert.

Nun haben die britischen Rocker selbstverständlich keine 3064 Alben auf den Markt gebracht, sonst hätten die Ärmsten wohl seit Karrierebeginn täglich im Tonstudio antreten müssen. Nein, 20 Studio- und 13 Live-Alben sind es bisher geworden. Doch wie kommt der Stendaler dann zu so vielen verschiedenen Platten?

„Ein Album erscheint pro Land in mehreren Varianten“, erklärt der Fachmann. Unterschiede gibt es zum Beispiel beim Aussehen der Cover – das mag der Laie noch erkennen. Hamann sammelt aber auch verschiedene Pressungen und Versionen, bei denen wegen Zensur Lieder fehlen; sogar auf die winzigen Ziffern auf dem Seitenrand der Cover, sogenannte Spins, achtet er. So kommt es, dass er allein von „Shades of Deep Purple“ 13 Platten aus Korea hat. So etwas kann er fix auszählen, denn seine Alben sind nach Ländern sortiert – von Ägypten bis Simbabwe.

Zu Hamanns Sammlung gehören auch 246 Bootlegs, also inoffizielle Konzertmitschnitte, sowie 19 Gold- und Platin-Platten. Letztere hat er zumeist vom englischen Auktionshaus Sothebys. Die anderen Schätze kommen von Plattenbörsen, weltweiten Fanforen und Online-Auktionsseiten. In der Fanszene, sagt er, spreche sich herum, wer die größten Sammlungen hat – auch deshalb, weil man Verkäufer meist nach ihren Schätzen fragt. Deshalb ist sich der Altmärker sicher: „Wenn jemand auf der Welt mehr Deep-Purple-Platten hätte als ich, dann wüsste ich das.“

Nächstes Jahr will der Altmärker den Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde beantragen. Dafür braucht er einen möglichst glaubwürdigen Zeugen für seine Kollektion – wie praktisch, dass der Freund, der ihn 1985 zur Sammleritis inspirierte, von Beruf Anwalt ist. Als Hamann dessen Deep-Purple-Kollektion erblickte, war es um ihn geschehen. Schon seit 14 Jahren war er damals eingefleischter Deep-Purple-Fan. Nur besaß er gerade mal drei Alben: Das erste hatte er von einer Freundin, das zweite vom Polen-Markt, Nummer drei von einem Kollegen im Ferienjob. Für mehr fehlten die West-Kontakte.

Nach der Wende tobte sich Hamann dafür umso mehr aus – als Erstes im Hamburger Karstadt. „Ich hab alles mitgenommen, was im Regal stand.“ Inzwischen besitzt er auch viele Raritäten. Zum Beispiel eine japanische Version des „Concerto“-Albums in rotem Vinyl. In Sammlerkreisen, sagt der Stendaler, werde sie heute für um die 500 Euro gehandelt. Wie viel seine Deep-Purple-Sammlung insgesamt wert ist, sei schwer einzuschätzen. Zu Zahlen hält er sich bedeckt.

Während der Anwalts-Kumpel seine Sammlung inzwischen aufgelöst hat, sammelt der 55-Jährige munter weiter. Warum ihn die Band nach wie vor so fasziniert? Klare Sache: „Die Hammond-Orgel in ihren Songs ist einfach der Hammer!“

Seine Frau hat das Deep-Purple-Fieber übrigens bis heute nicht gepackt. Trotzdem erträgt sie seine Leidenschaft tapfer. Sie kommt sogar mit zu Konzerten.

Allerdings nicht zu allen, das wäre dann doch etwas schwierig. Denn wenn Deep Purple auf Deutschland-Tour sind, fährt Thomas Hamann zu fast jedem Konzert. Da der Handwerksmeister seine eigene Firma hat, kann er sich das herausnehmen. Diesmal legt er in Mageburg los und nimmt dann sieben von zehn Terminen mit.

Wenn er Glück hat, darf er nach einem der Konzerte wieder hinter die Bühne. Denn seit der Sammler seine Lieblingsband ein paarmal vor Konzerthallen und Hotels getroffen hat, bekommt er auf Anfrage beim Management manchmal Backstage-Pässe. Rund 30 Mal, erzählt er, hat er schon mit den Jungs gesprochen. Bei einem dieser Treffen hat er Gitarrist Steve Morse mal Fotos von seiner Sammlung gezeigt. Dessen Reaktion bringt‘s wieder auf den Punkt: „It`s crazy!“