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FDP-Parteitag Mehr Spaß im Schlechte-Laune-Land

Bis zuletzt will die FDP um den Wiedereinzug in den Landtag kämpfen. Helfen soll mit Wolfgang Kubicki ein rhetorisches Sturmgeschütz.

Von Steffen Honig 07.03.2016, 00:01

Dessau-Roßlau l Eigentlich geht es am Sonntag in Dessau um den FDP-Wahlaufruf, der auch einstimmig beschlossen wird. Doch der dazu einberufene Parteitag, zu dem 200 Delegierte und 150 Gäste eingeladen sind, ist um den Auftritt des wortgewaltigen Vize-Bundeschef Wolfgang Kubicki herum gestrickt. Zuvor darf Kubickis Kollegin in FDP-Stellvertreterfunktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann aus Nordrhein-Westfalen, die Liberalen im Saal anfeuern. Das offene Bekenntnis vieler Menschen, die AfD wählen zu wollen, „sollte uns den Saft in die Knochen treiben“, ruft sie ins Mikrofon.

Kubicki wartet derweil entspannt und schlägt gegenüber der Volksstimme eine sportliche Brücke von Kiel nach Magdeburg: „Ich bin als Holstein-Kiel-Sponsor froh, dass der FCM Hansa Rostock geschlagen hat, gegen die wir gerade verloren haben.“ Fließender Übergang zur Politik: Für die FDP sei die Wahl in Sachsen-Anhalt die „größte Herausforderung“ unter den drei Landtagswahlen am kommenden Sonntag, sagt Kubicki, bevor er ans Pult gerufen wird.

Und legt los mit der Flüchtlingskrise, natürlich: „Humanität kennt keine Grenzen, Zuwanderung schon“, erklärt der FDP-Vizechef zum Kurs der Bundeskanzlerin. „Die moralische Impertinenz, mit der Deutschland gegenüber seinen Nachbarn aufgetreten ist, fällt uns jetzt auf die Füße.“ Die Solidarität der anderen Europäer könne man nicht verordnen, man können nur um sie werben. Um die Lage in den Griff zu bekommen, bekräftigt er FDP-Forderungen vom Herbst 2015: Kriegsflüchtlingen sofort einen Aufenthaltstitel geben, endlich ein Zuwanderungsgesetz schaffen und abgelehnte Asylbewerber strikt zurückführen.

Launig verpackt teilt Kubicki gegen die Konkurrenz von links aus. Die Grünen geißelt er als Verbotspartei, SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles würde er am liebsten „ein Jahr nach Hause schicken“, damit sie am Arbeitsmarkt nicht weiter herumregulieren könne. „Hände weg von der Erbschaftssteuer!“, fordert Kubicki. Schon aus ganz persönlichen Gründen: Er arbeite als Steueranwalt nicht dafür, dass ihm später beim Vermögen „Ralf Stegner und Jürgen Trittin hineingreifen“. Immer beharrt er auf Rechtsstaatsprinzipien: „In Liberalen steckt ein Renitenz-Gen.“ Die Auseinandersetzung mit der AfD scheut er nicht: „Demokraten weichen keinen Zentimeter zurück.“

Begeisterungsstürme beim liberalen Publikum erzeugt Kubicki schließlich mit dem Ausruf: „Frank Sitta ist ein geiler Typ!“ Um die Karriere in der FDP muss Sitta bei so viel Lob aus der Parteispitze wohl vorerst nicht bange sein.

Sogleich geht Sitta daran, Kubicki mit einigem Talent rhetorisch nachzueifern. Er arbeitet sich insbesondere an der Landesvater-Kampagne von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) ab. Die Regierung verwalte nur den Stillstand, wettert Sitta. „Wir wollen den kraftlosen Ministerpräsidenten auswechseln.“ Sachsen-Anhalt brauche ein solides Update, zumindest aber erst einmal einen Neustart.

Ein Punkt im Wahlaufruf ist neben Wirtschaft, Bildung, Sicherheit und Infrastruktur der Spaßfaktor. Da werden Erinnerungen an den einstigen Spaßpartei-Eifer der FDP wach. In dieser Furche wollen sich die Liberalen aber nicht wieder festfahren. Sitta denkt an die freie, individuelle Entfaltung des Menschen: „Spaß ist nichts Schlimmes.“ Eher schon seien es die letzten Plätze im Bundesvergleich, die Sachsen-Anhalt von der Wirtschaftsentwicklung bis zur Lebenserwartung hole, „aber ganz vorn bei der schlechten Laune“.

„Wir sind eine positive Protestpartei“, sagt Sitta gegenüber der Volksstimme. Als Wahlziel nennt er acht Prozent. Dann wäre womöglich nicht nur Opposition, sondern eine Regierungsbeteiligung drin. Eine Koalitionsaussage will Sitta nicht machen. Er sagt nur, mit wem die FDP nicht koalieren würde: AfD und Linkspartei.