1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Nach Schul-Boykott droht Haft

Heimunterricht Nach Schul-Boykott droht Haft

Ein Ehepaar aus Anhalt unterrichtet drei Kinder wegen angeblich giftiger Schulräume zu Hause.

Von Hagen Eichler 07.04.2016, 01:01

Görzig l Ein Elternpaar aus Anhalt ignoriert seit Monaten die Schulpflicht und unterrichtet drei seiner Kinder zu Hause. Auslöser waren unangenehme Gerüche in zwei Schulräumen der Grundschule Görzig (Anhalt-Bitterfeld). Das Ordnungsamt hat mehrfach Bußgelder verhängt – sollten die Eltern nicht zahlen, droht ihnen sogar eine Haftstrafe.

Fred und Susanne G. sind davon überzeugt, dass ihren Kindern in der Schule Gefahr droht. Aus den betroffenen Räumen entwichen giftige Gase, die die Gesundheit schädigten – so schildern sie ihre Sorge seit September 2015 in Dutzenden Briefen an Behörden. Die Rede ist von akuter bronchialer Hyperreagibilität, allergischem Asthma sowie „chronischen motorischen oder vokalen Ticstörungen“.

Die Behörden allerdings konnten gefährliche Ausdünstungen nicht feststellen. Die Schule gehört der Stadt Südliches Anhalt. Mehrere Raumluftmessungen durch das Landesamt für Verbraucherschutz haben Gesundheitsgefahren ausgeschlossen. „Das war nur eine Geruchsbelästigung, mehr nicht“, versichert Bürgermeister Burkhard Bresch (Linke). „Wir haben alle Eltern informiert und bis auf diese eine Familie hatte niemand ein Problem.“

Die Stadt ließ die beiden betroffenen Räume sperren, längst sind sie saniert – Familie G. will ihre Kinder dennoch nie wieder in diese Schule zurückbringen. Den geforderten Wechsel in eine benachbarte Grundschule lehnt die Stadt jedoch ab. Für eine Ausnahme vom geltenden Schulbezirk müsse ein ärztliches Attest nachweisen, dass Erkrankungen der Kinder mit dem Schulbesuch in Görzig zusammenhingen, heißt es. Solche Atteste gebe es aber nicht.

Die Eltern unterrichten ihre Kinder seit einem halben Jahr zu Hause. Das Ordnungsamt des Landkreises hat diesen Verstoß gegen das Schulgesetz mit Bußgeldern von 2100 Euro geahndet, ersatzweise droht ein halbes Jahr Gefängnis. Mittlerweile berichten Fernsehsender über die rebellischen Eltern. „Wir sind sehr betroffen darüber, in welcher Art der Schulträger sowie die Schule durch Familie G. ... öffentlich diffamiert werden“, bedauert das Landesschulamt den Fall.

Mittlerweile deutet sich jedoch eine Lösung an: Die Behörde will den Wechsel der Kinder an eine Nachbarschule befristet erlauben – aus Sorge um das Kindeswohl und „als Beitrag zur Deeskalation“.