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Harakiri-Kurs Rechnungshof warnt vor Finanzloch

Der Landesrechnungshof hat den finanzpolitischen Kurs der angehenden CDU-SPD-Grünen Koalition ungewöhnlich scharf kritisiert.

Von Jens Schmidt 15.04.2016, 12:38

Magdeburg l Der Rechnungshof von Sachsen-Anhalt hat kurz vor Abschluss der Koalitions-verhandlungen vor einem "finanzpolitischen Harakiri" gewarnt. Die von CDU, SPD und Grünen bislang auf den Verhandlungstisch gelegten Mehrausgaben summieren sich in den nächsten fünf Jahren auf knapp drei Milliarden Euro. Doch diese Kosten sind nach Auffassung der Rechnungshofs nicht durch Einnahmen gedeckt. "Im Gegenteil: Schon ohne diese Mehrausgaben klafft in den Etats bis 2020 ein Finanzloch von mehr als 1,5 Milliarden Euro, sagte Rechnungshofpräsident Kay Barthel am Freitag in Magdeburg. "Ich bin fassungslos, was hier gerade passiert."

Auf der schwarz-rot-grünen Wunschliste stehen unter anderem zusätzliche Lehrer- und Polizeistellen (110 Millionen Euro), mehr Geld für die Kommunen (1380 Millionen Euro), ein kostenloses Kindergartenjahr (40 Millionen Euro) und mehr Geld für die Hochschulen (18 Millionen Euro).

Bereits vor der Landtagswahl hatte Kay Barthel im Volksstimme-Interview vor all zu teuren Wahlversprechen gewarnt. "Wir sind noch lange nicht über dem Berg", hatte er am 11. März gewarnt. Barthels Befürchtungen sind nun noch bei weitem überboten worden. Was die angehenden Regierungspartner CDU, SPD und Grüne bisher auf den Tisch gelegt haben - von mehr Polizisten bis hin zum kostenlosen Kitajahr - summiert sich auf 2,7 Milliarden Euro zusätzlicher Ausgaben. Die sind nach Barthels Rechnung aber nicht gedeckt. Im Gegenteil: Nach bisheriger Sachlage klafft in der Landeskasse bis 2020 ein Loch von gut 1,5 Milliarden Euro. Nun kämen die drei Milliarden Zusatzwünsche noch hinzu. "Die Kosten schießen in den Himmel. Es besteht die Gefahr, dass das Land neue Schulden machen muss", sagte Barthel vor Journalisten in Magdeburg. Er warnt vor einem "finanzpolitischen Harakiri". "Ich wähle bewusst diese scharfe Formulierung, aber es ist keine Zeit mehr für verschwurbelte Worte."

Barthel sieht sich mit seiner Kritik nicht allein. Er hat die Zahlen mit denen des Finanzministeriums abgeglichen. "Meine Warnung ist da eher noch konservativ." Im Ministerium von Noch-Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) schlagen erfahrene Haushälter derweil die Hände über dem Kopf zusammen. Bullerjahn, der im Mai aus der Politik ausscheidet, äußerte sich nicht. Die CDU-Fraktion mochte noch keine Wertung vornehmen, die SPD verwies darauf, dass die Finanzierbarkeit der Vorhaben nun geprüft werde.

Bullerjahn hatte bei seiner im Dezember vorgelegten Mittelfristigen Finanzplanung einer künftigen Regierung durchaus einige Spielräume eingeräumt. So soll es bis 2021 gut 2030 zusätzliche Neueinstellungen geben, damit vor allem die überalterte Lehrerschaft sowie die Polizei rechtzeitig genügend Nachwuchs gewinnen kann. Das Erreichen des Personalziels von 18 Vollzeitstellen je 1000 Einwohner (wie derzeit im Westen üblich) soll von 2020 auf 2025 verschoben werden.

Zudem ging Bullerjahn davon aus, dass ein Großteil der zusätzlichen Flüchtlingskosten vom Bund übernommen wird. Doch diese Spielräume würden durch die Pläne der angehenden Koalition bei weitem überdehnt, sagte Rechnungshofpräsident Barthel. Pro Jahr seien maximal 50 bis 100 Millionen Euro Mehrausgaben denkbar, um die Konsolidierungsziele dennoch einzuhalten. Doch derzeit stünden im Mittel etwa 500 bis 600 Millionen Euro jährlich zur Debatte.

Selbst, wenn die Hälfte der Wünsche gestrichen würden, bleibe der Wunschzettel eine "Gruselliste". Es bestehe die Gefahr, dass Sachsen-Anhalt das Sparziel reißt und die jährlichen Konsolidierungshilfen (Sparbonus) vom Bund über 80 Millionen Euro auch nicht verliert. Barthel warnte, in Zeiten hoher Steuereinnahmen Tilgung und Rücklagen zurückzufahren. Das Land hat 21 Milliarden Euro Altschulden. "Wenn die neue Regierung an einer Stelle mehr Geld ausgeben will, muss sie anderer Stelle einsparen. Doch dazu fehlt bislang eine klare Ansage."

Barthel kritisierte auch eine drohende Spaltung des Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums, falls sich CDU und Grüne bei der Ressortverteilung nicht einigen. "Das ginge nicht ohne zusätzliche Stellen und Kosten."