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MissbrauchsskandalForscher durchleuchten Bistum Magdeburg

Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche wird noch bis 2017 aufgearbeitet. Sieben Fälle im Bistum Magdeburg bekannt.

26.08.2016, 23:01

Magdeburg l Nach dem ersten Bekanntwerden von Missbrauchsfällen im großen Ausmaß in der katholischen Kirche vor sechs Jahren liegen erste Teilergebnisse eines Forschungsprojekts zu Ursachen und Ausmaß vor. Bisher haben 1700 Menschen bei der katholischen Kirche in Deutschland Antrag auf Entschädigung für sexuellen Missbrauch gestellt und zum Teil ihre Peiniger benannt. Im verhältnismäßig kleinen Bistum Magdeburg gab es bisher drei Anträge. Jeder Geschädigte hat eine Zahlung in Höhe von 5000 Euro erhalten, bestätigte das Bistum auf Anfrage der Volksstimme.

Seit Juli 2014 arbeiten Wissenschaftler an der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Die Recherche in den deutschen Diözesen soll bis Ende 2017 abgeschlossen sein. Wie acht weitere, zufällig ausgewählte Diözesen wurde in den vergangenen Monaten auch das Bistum Magdeburg einer Tiefenprüfung unterzogen.

Ordinariatsrat Thomas Kriesel hat dafür alle 800 Personalakten von Priestern, Diakonen und männlichen Ordensangehörigen unter die Lupe genommen, die zwischen 1946 und 2014 im Bistum gelebt und gewirkt haben. „Diese Aktendurchsicht hat keine neuen Erkenntnisse gebracht“, sagte er der Volksstimme. Es gebe keine neuen Hinweise auf sexuellen Missbrauch Minderjähriger.

„Damit bleibt es im Bistum Magdeburg bei den bereits bekannten sieben Fällen sexuellen Missbrauchs und zwei Fällen von Kinder- beziehungsweise Jugendpornographie. Die Vorfälle liegen zum Teil schon Jahrzehnte zurück“, sagte Kriesel. Dies sei wohlmöglich der Grund dafür, dass es im Bistum Magdeburg nur drei Anträge auf Anerkennung des erlittenen Leides gebe, so der Ordinariatsrat. In einer weiteren Angelegenheit ermittelt die Staatsanwaltschaft noch gegen einen Pfarrer aus Braunsbedra.

Die Ergebnisse der Untersuchungen in den Diözesen werden vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim ausgewertet. Die Prüfung der Personalakten ist nur ein Bestandteil der Aufarbeitung. „Es gibt Fälle, wo zu einem Missbrauch nichts in der Personalakte des Priesters oder Diakons steht. Deshalb sind wir auch auf die Angaben von Betroffenen angewiesen“, sagte Forschungsleiter Harald Dreßing der Volksstimme.

Dreßing und seine Kollegen haben deshalb auch Interviews mit Betroffenen und Tätern geführt, Strafakten analysiert und bereits veröffentlichte Studien miteinander verglichen. Zwischenergebnis: Anders als beim Missbrauch in Schulen und anderen Institutionen zählten in der katholischen Kirche in erster Linie Jungen zu den Opfern. Und: Etwa jeder vierte oder jeder dritte Fall ist ein schweres Sexualdelikt. Daraus könne gefolgert werden, „dass es sich bei sexuellen Missbrauchsdelikten im Bereich der katholischen Kirche keineswegs um Bagatelldelikte handelt“, so Harald Dreßing. Auch die Folgen für die Opfer werden erfasst: Alpträume, Angststörungen, Panikattacken, ein gestörtes Sexualverhalten und Verschlossenheit treten häufig auf. Die Abschlussergebnisse sollen Mitte nächsten Jahres vorliegen.

Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit bittet Betroffene um Mithilfe. Informationen und eine anonyme Umfrage gibt es unter www.zi-mannheim.de