1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Gute Noten von Haseloff für die Koalition

Regierungsstart Gute Noten von Haseloff für die Koalition

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) spricht im Interview über die Koalition und lobt seine grüne Umweltministerin.

Von Jens Schmidt 28.12.2016, 00:01

Herr Ministerpräsident, Sie sagten, Sie seien mit dem Erscheinungsbild der Koalition nicht zufrieden. Worüber haben Sie sich am meisten geärgert?

Ich habe nicht vom Erscheinungsbild der Regierung, sondern von der Gesamtsituation gesprochen. Nicht jeder Fehler, der politisch gemacht wird, ist Sache der Regierung. Eine Demokratie ist breiter als die Exekutive.

Landtagspräsident Güssau trat zurück, Wirtschaftsminister Felgner gab auf – war das nicht ein Fehlstart?

Beide Rücktritte haben nichts mit dieser Koalition aus CDU, SPD und Grünen zu tun. Leider wird die gute Arbeit der Regierung jedoch durch solche Vorkommnisse überdeckt. In der täglichen Arbeit herrscht bei uns ein gutes Miteinander. Nehmen wir nur den Kompromiss zum Weiterbau der A 14 – dieses Problem war wahrscheinlich nur in dieser Konstellation mit den Grünen zu lösen. Jetzt gibt es einen Ausgleich zwischen wirtschaftlichen Interessen, ökologischen Ansprüchen und sozialen Aspekten. Das zeigt: Diese Koalition ist keine Notgemeinschaft, sie bietet vielmehr einmalige Chancen. Ich nenne auch die deutliche bessere Finanzierung der Kommunen, die Einstellungsoffensive bei Lehrern und Polizisten, die bessere Finanzierung der Kinderförderung. Wir haben nach einem halben Jahr viel auf den Weg gebracht. Dass dies medial nicht immer widergespiegelt wird und stattdessen Probleme im Fokus stehen, ist bedauerlich, müssen wir aber zur Kenntnis nehmen.

Aber im Haushaltsplan gibt es erhebliche Finanzierungslücken und Risiken: Wollen Sie zu viel auf einmal?

Nein. Das ist eine durch und durch solide Haushaltsplanung. 98 Prozent des Doppelhaushalts sind sicher. Die fehlenden 2 Prozent müssen wir im Laufe der beiden Jahre erwirtschaften; aber die Migrationskosten sind schwer kalkulierbar, so dass dies hinnehmbar ist. Wir setzen mit diesem Doppeletat wesentliche Teile des Koalitionsvertrags um, hätten uns aber noch mehr vorstellen können – doch wir halten Maß, vermeiden dadurch neue Schulden, halten die Stabilitätskriterien ein und tilgen sogar Altschulden…

… aber weniger als ursprünglich geplant …

… weil es unabweisbare gesellschaftliche Anforderungen gibt. Daher stellen wir mehr Lehrer und Polizisten ein. Außerdem ist die Lage eine andere als noch vor fünf Jahren. Fast 30 000 Migranten sind 2015 zu uns gekommen – mit 7000 Kindern, von denen 5000 schulpflichtig sind.

Zugleich entlässt Ihr Bildungsminister 100 der 180 Sprachlehrer.

Insgesamt haben wir 2017 140 Sprachlehrer im Einsatz. Das entspricht dem Bedarf. Dass wir nicht alle, die befristet eingestellt waren, übernehmen können, hat rein fachliche Gründe. Viele sind Quereinsteiger ohne pädagogische Ausbildung. Bei dauerhaften Einstellungen geht es um die nächsten 30, 35 Jahre – und da muss die Qualifikation stimmen. Aber: Jeder hat die Chance, sich weiterzubilden und sich dann auf Stellen zu bewerben. Lehrer werden auch künftig gesucht.

Aber diese Koalition gibt schon deutlich mehr Geld aus als ihre Vorgänger. War die Finanzpolitik der vergangenen Jahre falsch?

Vor 2011 lagen die Ausgaben im Schnitt stets zehn Prozent über den Einnahmen. Ab 2011 haben wir hart gespart und den Umstieg geschafft. Auch gestiegene Steuereinnahmen haben uns dabei geholfen. Nun haben wir Freiräume, die wir für Investitionen und wichtige Vorhaben nutzen können. Das ist jetzt solide machbar.

Wie lässt sich das Wirtschaftswachstum ankurbeln?

Entscheidend ist neben weiteren Ansiedlungen und der Modernisierung der Wirtschaft vor allem der weitere Ausbau der Infrastruktur – das ist das, was der Staat leisten kann. Daher ist der Bau der A 14 so wichtig. Die Region um Magdeburg und die Altmark werden so Wachstumsregionen und interessant für Neuansiedlungen. Wir sehen das bei unseren Premium-Gewerbegebieten. Als wir diese vor einigen Jahren aufgebaut haben, bin ich als Wirtschaftsminister dafür gescholten worden. Heute siedeln sich genau dort Firmen an. An der A 9 bei Halle wird der Logistiker DHL viele neue Arbeitsplätze schaffen. Und im Salzlandkreis in Biere erweitert die Telekom ihr High-Tech-Rechenzentrum.

Unsere Lage am Arbeitsmarkt ist trotz der Zuwanderung so entspannt wie seit 1990 nicht. Wir hatten noch nie eine so niedrige Arbeitslosenquote wie jetzt. Allerdings wächst der Anteil Langzeitarbeitsloser. Daher brauchen wir eine Neuauflage der Bürgerarbeit. Das sind Jobs in der Gemeindebibliothek oder Helfer im Pflegeheim. Bürgerarbeit 2.0 – das ist ein wichtiges Thema.

Welche Note geben Sie Ihrer Regierung?

Wir arbeiten gut zusammen, manchmal schon sehr gut. Ich möchte dabei ausdrücklich Umweltministerin Claudia Dalbert hervorheben. Als Oppositionspolitikerin hatte sie mich ja hart attackiert. Aber sie hat den Rollenwechsel professionell gemeistert, es ist sehr angenehm, mit ihr zusammenzuarbeiten. Die Grünen insgesamt sind gut im Regierungsteam angekommen. Natürlich läuft auch mal was schief. Aber das darf unsere Atmosphäre nicht beschweren.

In Ihrer CDU sehen das etliche auch anders. Da heißt es: Der Schwanz wedelt mit dem Hund.

Denen entgegne ich: Die CDU hat keine absolute Mehrheit. Nur mit SPD und Grünen haben wir eine Mehrheit. Dennoch: Wir sind mit Abstand die stärkste Partei in dieser Koalition und sind dabei, 95 Prozent unseres Wahlprogramms umzusetzen. Wir stellen sechs der neun Minister und verwalten zwei Drittel des Haushalts. Wir werden diese PS auf die Straße bringen und sollten nicht schon nach einem halben Jahr die Schlussbilanz ziehen.

Sie empfehlen „Kenia“, also Schwarz-Rot-Grün, auch für den Bund. Erwarten Sie, dass es für CDU und SPD nicht mehr reicht?

Nein, das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Ich will damit nur sagen, dass es für uns wichtig ist, den Horizont zu weiten, wenn es für die demokratische Mitte knapper wird.

Wir soll sich die CDU mit der AfD auseinandersetzen?

Bundesweit herrscht darüber nach wie vor große Unsicherheit. In Sachsen-Anhalt haben wir eine gewisse Routine entwickelt. Wenn AfD-Anträge kommen, beraten wir in der Koalition, wie wir reagieren: Alternativantrag, scharfe Ablehnung oder keine Reaktion sind die Möglichkeiten. Die beste Art der Auseinandersetzung aber ist es, gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen gute Regierungsarbeit zu leisten und dies auch der Bevölkerung zu vermitteln. Praxis schlägt Rhetorik. Wir gehen gelassen und selbstbewusst nach vorn. Die Auseinandersetzung muss auf verschiedenen Ebenen geführt werden, wenn die politischen Ränder nicht weiter anwachsen sollen. Das ist aber nicht allein ein Problem der CDU: Alle Parteien haben Wähler an die AfD verloren.

Nun soll der Rentenangleich erst 2025 kommen. Laufen CDU und SPD nicht Gefahr, deswegen im Osten viele Wähler zu verprellen?

Ich halte den Angleichungstermin für deutlich zu spät. Er muss 2019 kommen, so wie versprochen. Zugleich darf die Aufwertung der Ostlöhne für die Rentenberechnung nicht so abrupt enden, da vor allem die jüngere Generation davon betroffen wäre. Die Mehrkosten müssen meiner Ansicht nach aus Steuermitteln bezahlt werden. Was die Bundestagswahl betrifft: Das Thema Rente wird ganz sicher eine große Rolle spielen. Im Osten werden Wahlen zwar nicht gewonnen, aber man kann sie wegen des Ostens verlieren – das hat die CDU 2002 schmerzlich erfahren.